Beschreibung
Ist es möglich, die Kunst mit klaren Begriffen zu deuten, ohne sie zu vergewaltigen? Diese Frage begleitet das vorliegende Buch und fließt in die Methodik der Betrachtung ein. Sie führt konsequenterweise zu einem alle partiellen ästhetischen Gesichtspunkte transzendierenden anthropologischen Ansatz, bei dem es darum geht, die menschlichen, künstlerischen und sozialen Grundprozesse, die unserem Gestalten zugrundeliegen, zu beschreiben. Ein anthropologischer Ansatz ist allerdings nichts Neutrales, sondern seinerseits schon eine Selbstdeutung des Menschen. Im Bemühen, den Menschen möglichst umfassend ins Spiel zu bringen, werden die genannten Prozesse aus der trichotomischen Struktur von Leib, Seele und geistigem Wesen entwickelt. Dabei erläutern Mensch und Kunst einander wechselseitig, weil das menschliche Gestalten sich in der Kunst besonders sprechend offenbart.
Es gibt historische Bezüge wie zum Beispiel die Hegelsche Ästhetik, doch wird diese nicht referiert, um sie zu übernehmen, sondern um im Bewußtmachen ihrer Grenzen zu zeigen, daß statische Einteilungen wie etwa das System der Künste nach Hegel dem zu erforschenden Bereich lediglich teilweise gerecht werden können. Denn nur ein funktionales Denken vermag das komplexe Wesen der Kunst den Gestaltungsprozessen entlang zu erschließen. Die gefundene menschliche Struktur erweist sich dabei als universal anwendbar, weil sie nicht eingrenzt, sondern lediglich wahrnehmbare Vorgänge in geordneter Form beschreibbar macht. Die anthropologische Betrachtungsart eröffnet die Möglichkeit, das individuelle künstlerische Gestalten und die sogenannte Soziale Kunst aus demselben Ansatz zu begreifen und hebt damit deren viel diskutierte Differenz auf, ohne die Unterschiede beider Bereiche zu verwischen. Auf diese Weise leistet sie einen klärenden Beitrag zu einem Diskurs, der nicht erst seit Beuys virulent geworden ist.