Beschreibung
Mit "rabensingen" legt die Dresdner Musikerin und Autorin Anna Zepnick ihr Debüt in der "Reihe Neue Lyrik" vor. Ihr Blick richtet sich auf das, was wir vermeintlich als Alltag kennen, vom Freundes- und Familienkreis über die Natur bis hin zu Kinobesuch und Schulweg. Ihr Ton ist frei von Pathos, zuweilen ironisch, sprachlich geschärft. Sprichwörtliches wird aufgegriffen, variiert und trägt zur Bereicherung der dichterischen Sprache bei. Ganz selbstverständlich gelingt es der Autorin, Alltagsszenen mit Poesie aufzuladen. „Wenn ich so lebe zwischen Socken und Löffeln“, heißt es etwa in ihrem "Lied", das zugleich für die Musikalität der Dichtung steht. Dabei entwickelt sie sowohl längere Formen wie in dem beeindruckenden Fragment an die Großmutter, als auch Gedichte mit knapper, genau akzentuierter Diktion. -
Der Rabe, dessen "Singen" dem Band den Namen gibt, ist der Symbolvogel schlechthin und wird in der Mythologie mit Hexerei, aber vor allem mit Weisheit assoziiert. Anspielungen an Märchen und Mythen werden nicht nur im Aschenputtel-Gedicht "ruckedigu" deutlich, wo sich das goldene Kleid in einer Nuss findet. Neben diesen symbolischen Momenten wird der Rabe auch durchaus realistisch ins Bild gerückt, wenn er im Müll nach Nahrung pickt. -
Anna Zepnick bietet in diesem erstaunlich ausgereiften Band einen Blick in eine Dichtkunst, die ihre Stärke aus dem Lebensalltag bezieht und zugleich sprachspielerisch darüber hinausgeht und dabei Augenblicke großer dichterischer Intensität schafft.
Autorenportrait
Anna Zepnick, geboren 1970 in Dresden, studierte in ihrer Heimatstadt Musik, arbeitete als Korrepetitorin an der Musikhochschule und unterrichtet als Klavierpädagogin. Veröffentlichungen gab es in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2020 entstand in Kombination von Schreiben und Musizieren das Hörbuch "und singt ewige lieder". "rabensingen" ist ihr Lyrik-Debüt.
Rezension
Man kann, wenn man Anna Zepnicks Dichtung zu charakterisieren versucht, durchaus auf Begrifflichkeiten aus der Musik zurückgreifen, etwa hinsichtlich der Liedhaftigkeit einzelner Texte, von denen einige sogar mit "Lied" übertitelt sind, den Wiederholungen von Versteilen, den Reprisen. Ihre Arbeiten zeichnet eine Formenvielfalt aus, die für ihre dezidiert literarische Orientierung und ihren musikalischen Erfahrungsschatz gleichermaßen stehen. Jayne-Ann Igel