Beschreibung
Die westliche Demokratie ist heute jeder kritischen Diskussion entzogen. Sie scheint das politische Ziel der Geschichte zu sein. Ihre Legitimität in Zweifel zu ziehen, ist mit einem Denkverbot belegt. Weshalb aber führen die westlichen Demokrarien Angriffskriege, sei es einst in Vietnam oder in Jugoslawien? Warum können sich die Wähler in diesen Demokratien meist nur zwischen zwei politischen Parteien, zwei Lagern, zwei Politik-Optionen entscheiden? Wieso werden unverhohlene Verächter der Humanität ebenso toleriert wie ihre Protagonisten? Herbert Marcuses Antwort ist ebenso einfach wie - zumindest heutzutage - unerhört: weil die westliche, bürgerliche Demokratie formal ist und nicht an materiale humanitäre Prinzipien gebunden. Diese Grundthese erlaubt es Marcuse, das Schicksal der bürgerlichen Demokratie zu thematisieren und nicht schon vor der Untersuchung zu deren Apologeten zu verkommen. Marcuses Haltung zur bürgerlichen Demokratie ist, bei aller Schärfe der Kritik, sehr differenziert. Da Regierungsformen, auch wenn sie zu bestimmten geschichtlichen Zeiten triumphieren, sich immerfort wandeln und endlich sind, gilt es, eine historisch bestimmte Einstellung zu gewinnen. er empfiehlt, die formale, bürgerliche Demokratie zu verteidigen, da sie die größte Freiheit zur Durchsetzung materialer Demokratie gewährt. Ob in seiner Kritik des Toleranzgebots oder der sadomasochistischen 'Instinktgrundlage' bürgerlicher Demokratie, ob bei seinem Blick auf die junge westdeutsche Demokratie kurz nach dem 2. Weltkrieg oder auf die Entwicklung demokratischer Werte in der Studenten- und Menschenrechtsbewegung - immer führt Marcuse vor, wie zwischen den Errungenschaften und den humanitären Defiziten bürgerlicher Demokratie unterschieden werden muß. Ein Thema, das heute wieder von höchster Aktualität ist.
Autorenportrait
Herbert Marcuse war einer der bedeutendsten Sozialphilosophen des 20. Jahrhunderts. Geboren 1898 in Berlin, wurde er nach dem Studium der Philosophie (bei Husserl und Heidegger) ab 1932 Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. 1934 emigrierte er in die USA. Nach dem Krieg lehrte er an verschiedenen Universitäten der Vereinigten Staaten. In den 60er Jahren wurde er zur philosophischen Leitfigur der Studenten- und Anti-Vietnamkriegsbewegung. Bis zu seinem Tode im Jahre 1979 blieb sein Lebensmittelpunkt in den Vereinigten Staaten.
Rezension
Zu der Gesamtausgabe: 'Herbert Marcuse ist bis heute das Stiefkind der Frankfurter Schule geblieben - im Unterschied zu den USA, wo er mit dieser oft hauptsächlich identifiziert wird. Dem hiesigen Mißstand abhelfen will Peter-Erwin Jansen mit einer deutschen Ausgabe Nachgelassener Schriften. Indem Marcuse in der Nachfolge Freuds aus der Theorie einen historischen Seismographen des Unbehagens in der Kultur machte und an das Gelingen der Kultur koppelte, verlieh er dem Politischen eine ganz neue Dimension.'
Süddeutsche Zeitung
Lesen Sie hier eine Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf faz.net
'Die Nachlaßschriften sind keine bloße Ergänzung. vor allem in Hinblick auf die Klärung der Begriffe markieren sie entscheidende Momente in Marcuses philosophischen Programm.'
Das Argument
'Die Schriften sind gut übersetzt und werden philologisch kontextualisiert, jeder Band ist mit einer langen Einleitung versehen. Und: das Disparate, Beiläufige der Schriften erlaubt ganz en passant und unaufdringlich Einblicke in die Arbeits- und Denkweise Marcuses.'
Spex, Das Magazin für Popkultur Nr. 01/02/2001