Beschreibung
Eine umfassende Restaurierung der reformierten Pfarrkirche von Oberwinterthur bot 1976-79 die Chance zu archäologischen und bauanalytischen Untersuchungen. Der Standort liess von jeher ein hohes Alter der Kirche vermuten. Die verschiedenen Interpretationen der Befunde führten in der Folgezeit zu unterschiedlichsten Hypothesen zur Frühzeit der Kirche, weshalb eine neuerliche Sichtung der Grabungsbefunde von 1976/77 beschlossen wurde. Die erste Kirche (wohl ein Holzbau) mit umgebendem Friedhof bestand bereits im fortgeschrittenen 6., spätestens aber im 7. Jh., und wurde vermutlich im 10. Jh. durch einen Neubau aus Stein abgelöst, von dem sich grosse Mauerpartien im heutigen Mittelschiff erhalten haben. Im 12. Jh. erfolgte dann die Erweiterung der Saalkirche um einen Längsannex und eine Sakristei an der Südseite. Der Glockenturm von St. Arbogast datiert in das frühe 13. Jh. Gleichzeitig mit dem Turm erhielt die Kirche an der Nordseite eine zweite Kapelle, an deren Ostende ein Altar mit unbekanntem Patrozinium anzunehmen ist. Ob die Kapelle in Oberwinterthur auf die Initiative lokaler Kleinadelsfamilien zurückging, deren Interesse an der Kirche ab dem zweiten Viertel des 13. Jh. greifbar wird, ist ungewiss. Nachweisbar ist, dass sich die Herren von Hegi in der südlichen Taufkapelle einen Bestattungsplatz einrichteten. Auch nach der Aufgabe der Grablege im Zuge des Ausbaus zur dreischiffigen Basilika blieben sie der Kirche als Wohltäter und Förderer erhalten. Für diesen Umbauschritt stand wiederum die Stadtkirche in Winterthur Pate. Mit einem grossartigen Malereizyklus fanden die Arbeiten ihren Abschluss. Nach neuen Dendrodaten waren die Bauarbeiten 1258 oder wenig später beendet. Im Spätmittelalter stagnierte die Entwicklung der Kirche, sie blieb aber von einem gravierenden Um- oder Neubau im spätgotischen Stil verschont. Mit der Einführung des reformierten Glaubens erfolgte die übliche Säuberung und Neueinrichtung des Kirchengebäudes. Bei der Renovation von 1835 kamen die Wandmalereien wieder zum Vorschein. 1877 brach man das Beinhaus und die Grabkapelle aus bisher unbekannten Gründen ab. 1927 erfolgte eine Aussenrenovation. Bei der fünf Jahre später durchgeführten Innenrenovation wurde die Westempore, die die Malereien verdeckte, entfernt. Anlässlich der Vergrösserung und Abtiefung des westlichen Kirchenvorplatzes 1951 erhielt das Westportal das heute noch vorhandene Vordach. 1976-81 schliesslich fand die bisher letzte grundlegende Restaurierung statt, der wir einerseits die hier dargelegten Erkenntnisse zur Baugeschichte des Gebäudes und andererseits dessen mit Umsicht und Sachverstand dem ursprünglichen Zustand so weit als möglich angenähertes Erscheinungsbild verdanken.
Autorenportrait
Felicia Schmaedecke ist Kunsthistorikerin und Mittelalterarchäologin und arbeitet im Auftrag von Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich.