Beschreibung
Das Farbenbuch
Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher, Hanspeter Schneider
alataverlag Winterthur 2022
Das kürzlich im alataverlag Winterthur erschienene Farbenbuch ist in jeder Hinsicht ein Kraftakt. Bereits der Umfang von 496 Seiten und die stattliche Grösse senden eine nicht zu übersehende Botschaft an den Betrachter oder an die Betrachterin. Das Buch zelebriert Farbe und Farbmittel als die Materielle Grundlage der bildenden Kunst. Öffnet man es, so badet man förmlich in den Farbmustern, Gemälden und Abbildungen von Pigmenten.
Ganze 386 Pigmente und Farbstoffe werden im ersten Teil lexikalisch abgehandelt, eine Fülle von Informationen über alle Facetten dieser Stoffe mit wohlklingenden Namen wie Bleiweiss, Auripigment, Neapelgelb, Kirschkernschwarz, Schweinfurter Grün und Bismarckbraun.
Jedes Farbmittel ist als pulverförmiger Stoff in hoher Qualität abgebildet und zusätzlich, und dies ist wahrhaftig einmalig, mit Abbildungen handgefertigter Farbmustern des Künstlers Stefan Muntwyler illustriert. Der Künstler malte Farbmuster eines jeden Pigments und eines jeden Farbstoffes, oft in mehreren Farbdichten, sodass insgesamt 712 unterschiedliche Farbmuster vorliegen. Die Verbindung zur Kunstgeschichte besorgen die Abbildungen beispielhafter Gemälde, in welchen die jeweiligen Pigmente prominent verwendet wurden.
Dieses Farbmittel Kompendium wird durch einen Aufsatz über die Historische Farbstoffsammlung der Technischen Universität Dresden und über eine Abhandlung über die Herstellung der Pigmente im Labor ergänzt. Die historische Dimension wird durch die Timelines der Farbmittel ausgeleuchtet, welche die Daten der Erstverwendung der Farbmittel übersichtlich darlegen.
Der nächste Teil ist der wissenschaftlichen Untersuchung von Gemälden gewidmet. Die einführenden Zeilen beschreiben die physikalischen und chemischen Methoden, welche zur Untersuchung von Gemälden eingesetzt werden. Die folgenden Seiten führen Pigmentanalysen von Gemälden aus allen Epochen der Kunstgeschichte auf, von den prähistorischen Höhlenmalereien bis zu der zeitgenössischen Kunst.
Umfangreichere Farbgeschichten über wichtige Pigmente und Farbstoffe bilden dann den letzten Teil dieses Werkes. Die Archäologin Ulrike Koch-Brinkmann erzählt über die Untersuchung antiker Statuen und die überraschende Erkenntnis, dass sie ursprünglich nicht weiss sondern bunt waren. Die Künstlerin Inge Boesken Kanold beschreibt ihre dreissigjährige Faszination mit Purpur und Stefan Muntwyler schildert die bewegte Geschichte des teuren Pigmentes Ultramarin. Wir erfahren außerdem über die Herstellung goldfarbener Pigmente aus grauem Blei, über die unrühmliche Story des tödlichen aber wunderschönen Pigments Schweinfurter Grün, über die Farben Grau und Schwarz und über das älteste von Menschenhand hergestellte Pigment Ägyptisch Blau.
Die Beschreibung des Buches wäre nicht vollständig, wenn man die Frage nicht aufwerfen würde, ob man die Farbnuancen der abgebildeten Farbmustern, Pigmentpulvern und Gemälden in genügender Qualität im Buch wiedergeben kann. Das speziell für solche Buchprojekte von Hanspeter Schneider entwickelte Druckverfahren zeigt, dass diese Frage mit einem entschiedenen “ja!” beantwortet werden kann. Das Buch wurde mit einem aufwändigen Zehnfarbendruck gedruckt, wobei die Druckbögen manuell farbkorrigiert wurden.
Das Ergebnis ist, wie bereits erwähnt, ein inhaltlicher, gestalterischer und drucktechnischer Kraftakt.