Beschreibung
ch bin äußerst beschämt. - Ja, Emilia, ich verdiene diesen stummen Vorwurf. - Mein Betragen diesen Morgen, ist nicht zu rechtfertigen; - zu entschuldigen höchstens. Verzeihen Sie meiner Schwachheit. Ich hätte Sie mit keinem Geständnisse beunruhigen sollen, von dem ich keinen Vorteil zu erwarten habe. Auch ward ich durch die sprachlose Bestürzung, mit der Sie es anhörten, oder vielmehr nicht anhörten, genugsam bestraft. - Und könnt' ich schon diesen Zufall, der mir nochmals, ehe alle meine Hoffnung auf ewig verschwindet, - mir nochmals das Glück Sie zu sehen und zu sprechen verschafft; könnt' ich schon diesen Zufall für den Wink eines günstigen Glückes erklären, - für den wunderbarsten Aufschub meiner endlichen Verurteilung erklären, um nochmals um Gnade flehen zu dürfen: so will ich doch - Beben Sie nicht, mein Fräulein - einzig und allein von Ihrem Blicke abhangen. Kein Wort, kein Seufzer, soll Sie beleidigen. - Nur kränke mich nicht Ihr Mißtrauen. Nur zweifeln Sie keinen Augenblick an der unumschränktesten Gewalt, die Sie über mich haben. Nur falle Ihnen nie bei, daß Sie eines andern Schutzes gegen mich bedürfen. - Und nun kommen Sie, mein Fräulein, - kommen Sie, wo Entzückungen auf Sie warten, die Sie mehr billigen. Er führt sie, nicht ohne Sträuben, ab. Folgen Sie uns, Marinelli. -
Autorenportrait
Gotthold Ephraim Lessing (* 22. Januar 1729 in Kamenz, Markgraftum Oberlausitz; gestorben 15. Februar 1781 in Braunschweig) war ein bedeutender Dichter der Aufklärung. Mit seinen Dramen und seinen theoretischen Schriften, die vor allem dem Toleranzgedanken verpflichtet sind, hat dieser Aufklärer der weiteren Entwicklung des Theaters einen wesentlichen Weg gewiesen und die öffentliche Wirkung von Literatur nachhaltig beeinflusst. Lessing ist der erste deutsche Dramatiker, dessen Werk bis heute ununterbrochen in den Theatern aufgeführt wird.