Beschreibung
Franz Kafka litt zeitlebens unter Lärm. Die Studie sichtet auf der Basis von Selbstzeugnissen und Berichten von Zeitgenossen akustische Störfaktoren, denen Kafka ausgesetzt war und die allzu oft den Produktionshintergrund seiner literarischen Texte bildeten: Diese Lärmerfahrungen werden zum Gegenstand von Kafkas Schreiben selbst. Die Reisetagebücher, Oktavhefte, Skizzen und Erzählungen (Großer Lärm, Forschungen eines Hundes, Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse, Der Bau etc.) kreisen monomanisch um die zumeist vergeblichen Versuche fiktiver Tier- und Menschengestalten, einer als störend und verstörend empfundenen Klanglandschaft zu entfliehen. Lärm wandelt sich darüber hinaus in Kafkas Epoche zu einem gesellschaftlich breit thematisierten Phänomen. 1908 entsteht der erste Antilärmverein auf deutschem Boden; die Geräuschkunst der Futuristen sucht die 'Musik des Krieges' nachzustellen; unter dem Trommelfeuer der Schlachten des Ersten Weltkriegs formiert sich das Krankheitsbild des shell shock, eine lärmbedingte posttraumatische Belastungsstörung, deren Opfer vom Volksmund als 'Kriegszitterer' bezeichnet werden. Mit all diesen Phänomenen wird Kafka konfrontiert, all diese Phänomene transformiert Kafka in Literatur.
Autorenportrait
Jürgen Daiber, geb. 1961, Lehramtstudium an der PH Heidelberg, dort Staatsexamen 1986; feste Mitarbeitertätigkeit bei den Tageszeitungen Rhein-Neckar-Zeitung und Mannheimer Morgen; ab 1987 Studium der Germanistik und Linguistischen Datenverarbeitung in Heidelberg, Mannheim und Trier, Magister Artium 1992, Promotion 1994. Von 1995-2001 Wissenschaftlicher Assistent für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Trier. Habilitation 2001, seit 2003 Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Regensburg. Forschungsschwerpunkte: Wissenspoetiken, Romantik, Literatur und Neue Medien