Beschreibung
'Zu den Gedichten von Lisa Elsässer
Am Anfang war das Wort, das wussten wir. Aber am Ende steht kein Ende, da stehen mehrere anfänge: das lesen wir jetzt bei Lisa Elsässer. In ihren Gedichten wird öfter mal auf- und ausgebrochen, es wird aufbegehrt und nachgefragt. Also immer wieder angefangen. Es soll sich, heißt das auch, nichts allzu schnell beruhigen, und gerade darum lassen die Gedichte das gern offen, was nur offen gelassen an Deutlichkeit gewinnen kann.
Manchmal genügt dazu eine winzige Leerstelle – dort, wo sie nicht erwartet wird. Ein Hinauszögern, das wie Verstummen aussieht. Manchmal reicht es aber bereits, wenn ein einziger Buchstabe plötzlich wegfällt, und alles kippt. Oder es kommt ein Buchstabe hinzu, und alles wird anders, leicht und unaufdringlich anders, und jedesmal wirksam. Sofort scheint die Welt für eine Weile den neuen, den Elsässerschen Regeln unterworfen. Auf engstem Raum, oft eingesperrt in Blocksatz, der auf den ersten Blick so unerbittlich streng erscheinen will. Lisa Elsässer verengt den Raum, macht ihn zum Spielraum und erzeugt darin befreiende Mehrdeutigkeit. Und wie nebenbei führt sie vor, was Sprache preisgeben kann, wenn sie dazu gedrängt wird.
Denn natürlich sind Lisa Elsässers Gedichte auch beschäftigt mit ihrer Sprachlichkeit. Aus wort kann ort werden, aus ort dann tor, das ist nur ein Beispiel. zu wenig lieb für die liebe, ein anderes Beispiel. Das scheint zunächst noch harmlos und ist es schnell nicht mehr, denn das kleine Sprachspiel benennt wie beiläufig eine Kalamität, der mit Sprachspielen nicht mehr beizukommen ist. Übrigens finden sich hier einige wunderbare Liebesgedichte. Sie sind schön, weil sie auch genau sind. Zeit- und schwerelos. Sie ducken sich nicht einfach weg unter den Unwägbarkeiten der Gefühle, sondern stellen diese zur Rede. Leicht ist das ja nicht. Andere Gedichte sind eingefärbt von den Irrläufen der Traumarbeit und von den Aufgaben, die der Tod hinterlässt. Fast alle machen weiter, indem sie endlich anfangen. Und immer ist spürbar der Eigensinn der Sprache, der so manches aus den Angeln der Konvention hebt. Unglaublich, was diese Gedichte an Material bewegen.'
Martin Zingg
Rezension
'Jedes Gedicht ein Feldstück, auf dem angebaut und geerntet, ein abgesteckter Claim, der aufgegraben, durchwühlt, nach Findenswertem durchsucht wird. Nicht wie die meisten ihrer Gattungsgenossen die haltlose Gestalt einer ausgefransten Fahne haben diese Gedichte, sondern eine intakte äußere Form; im Gegenzug haben sie das Brüchige, Geklüftete, Inhomogene augenfällig in ihr Inneres aufgenommen. [.] Die Texte verschmelzen auf gekonnte Weise eine beinahe klassisch anmutende Gedankenklarheit mit sprachspielerischen Verfahrensweisen, die man als experimentell bezeichnen könnte, und dem sparsam und sinnstiftend eingesetzten unmittelbaren Gestaltreiz der konkreten Poesie. Daraus fügt sich ein schlüssiger, unaufdringlicher Personalstil, dem viele Register des im Gedicht Möglichen in scheinbar müheloser Gleichzeitigkeit zur Verfügung stehen.'Helwig Brunner in 'Ostragehe'