Beschreibung
In der hiesigen intellektuellen Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse ist der Name Jacques Lacan nach wie vor verrufen. Nicht selten wird er als einer der unverständlichsten, obskursten und politisch fragwürdigsten Denker denunziert, den der sogenannte Poststrukturalismus hervorgebracht hat. Mit »Looking Awry« liefert der Philosoph Slavoj Žižek zu Beginn der 1990er Jahre eine der vielleicht zugänglichsten Einführungen in die Lacan’sche Psychoanalyse, deren Plädoyer es ist, diese Karikatur Lacans ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Indem er die zentralen Kategorien aus Lacans Seminaren und Schriften – von der Triade des Imaginären/Symbolischen/Realen über den Gegensatz von Trieb und Begehren bis hin zum Objekt a – nicht direkt in Angriff nimmt, sondern »schräg« – aus Perspektive der zeitgenössischen Ideologie und Massenkultur – betrachtet, legt der Autor die radikalen Implikationen von Lacans Werk frei.
So ist Žižek stilgebend für eine Lesart, die es erlaubt, die Lacan’sche Theorie über ihren klinischen Kontext hinaus auf jeden noch so erdenklichen Winkel unseres Alltagslebens zu übertragen, weshalb man versucht ist, darin eine zeitgenössische Neufassung von Freuds »Psychopathologie des Alltagslebens zu sehen. Dabei wendet Žižek Lacans eigene Formel »Kant mit Sade« kurzerhand auf ihn selbst an: So wie Lacan die Kant’sche Ethik durch die Augen der Sade’schen Perversion gelesen hat, stößt man in diesem Buch auf eine ganze Reihe von »Lacan mit...«: über Alfred Hitchcock, Patricia Highsmith, Ruth Rendell, Stephen King und Franz Kafka bis hin zu Edgar Allan Poe, William Shakespeare und Sophokles. Nebst einem Gewaltmarsch durch antike Tragödien, Detektivgeschichten und allem voran die Populärkultur des 20. Jahrhunderts liefert »Schrägsicht« zudem eine Reihe von Lacan’schen Interpretationen des politischen Zeitgeistes der frühen 1990er Jahre, die eine teils unheimliche Aktualität bewahren, etwa in Bezug auf das Erstarken nationalistischer Ideologien in Europa oder die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise.
Žižek präsentiert uns also einen Lacan, den es sich auch heute noch – womöglich sogar mehr denn je – zu lesen lohnt.