Beschreibung
"Die dunkle Gasse" erzählt von der Begegnung zweier Kulturen und Traditionen, der paraguayischen und der jüdischen, in einem Lebensraum, den sich Heimatlose aus verschiedenen Sprachen und unterschiedlichen Religionen teilen. Der Protagonist, ein Heranwachsender und Sohn jüdischer Einwanderer, pendelt zwischen den Welten: dem Barrio Palestina, dem jüdischen Viertel Asuncións, und dem Petirossi-Markt, einem typisch lateinamerikanischen Markt mit tausenden Buden, geheimnisvollen Menschen und Geschichten. Ihm gelingt es, die ethnischen Grenzen dieser beiden Welten zu überwinden, ohne seine Identität zu verlieren. Er entdeckt seine Berufung als Arzt und Heiler und verzichtet dafür auf die Übernahme des väterlichen Geschäfts. Diese weitreichende Entscheidung besiegelt sein Schicksal als Bewohner der unheimlichen "dunklen Gasse". Gertopán eröffnet mit ihrer poetischen Sprache den Blick in ein bisher weitgehend verborgenes Stück jüdischer Geschichte in Lateinamerika.
"Die dunkle Gasse" wurde ausgezeichnet mit dem Premio de Literatura Lidia Guanes.
Autorenportrait
Susana Gertopán, geboren 1956, wuchs als Nachfahrin von russischen, polnischen und litauischen Einwanderern im jüdischen Viertel von Asunción auf. Hier lebten sowohl Einwandererfamilien, die schon vor dem Ersten Weltkrieg nach Paraguay gekommen waren und ausschließlich Jiddisch sprachen, als auch Emigranten, die vor der Shoah aus Europa flohen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden in Asunción auch Nationalsozialisten Zuflucht, wie der KZ-Arzt Josef Mengele.
Gertopáns Romane wurden mit dem Premio Nacional de Literatura, dem Premio Literario Roque Ganoa der Sociedad de Escritores del Paraguay und beim Premio Oscar Trinidad ausgezeichnet.
Rezension
"In dieser liebevoll erzählten Geschichte lernen die Leserinnen und Leser das hierzulande völlig unbekannte Schicksal der jüdischen Einwanderer in Paraguay kennen. Ergänzende Hintergrundinformationen finden sich im Nachwort dieses empfehlenswerten Bändchens von Liliana Ruth Feierstein."
Lateinamerikaarchiv, 7. März 2016
„Von diesem Buch ist man schon bei den ersten Sätzen gefesselt. Das Allgemein-Menschliche spricht stark an. Die vielen Dialoge, auch Gespräche zu dritt, sind äußerst ausdrucksstark. Es ist, als sei man am Ort und nähme teil an allem Geschehen. Die Menschen, die die Autorin schildert: Ovidio, den Bettler, Don Jaime, den Bruder des Ladenbesitzers, und Antonio mit seinem Schlitzmesser sieht man bildhaft vor sich. […] Das Buch, das sich in vielschichtiger Weise mit den Problemen des lateinamerikanischen Landes und der dort lebenden Menschen beschäftigt, ist ausdrücklich zu empfehlen.“ Maja Rehbein
"Dieses Buch ist für mich eine der spannendsten literarischen Reflexionen darüber, welche Beschädigungen Migration Menschen zufügen und was sie ihnen an psychischen Leistungen abverlangen kann. Und zwar nicht nur der Generation, die ihre Heimatländer verlässt und anderswo eine sichere Perspektive sucht, sondern auch deren Kinder, die ihren Platz in Gesellschaften finden müssen, in denen ihre Eltern zwar leben, aber oftmals nie wirklich angekommen sind. (.) Die Autorin spielt mit den Mustern und Erwartungen des bürgerlichen Entwicklungsromans und bricht diese, weil sie von der Wirklichkeit gebrochen werden." ila 366 (Juni 2013)