Beschreibung
Trotzki sucht im Bewusstsein der Massen, das durch den Kriegseinbruch aufgewühlt wird, nach den Ansätzen für künftige revolutionäre Umwälzungen. Immer wieder stellt er unter unterschiedlichen Aspekten die Frage nach der Wechselwirkung zwischen den Veränderungen, die mit dem Krieg in alle Lebensbereiche einbrechen, und der Entwicklung des Massenbewusstseins. Dabei fasst er den Krieg nicht nur als den unmittelbaren Waffengang auf, sondern als Prozess, der an die Oberfläche bringt, was bislang in der Gesellschaft verborgen war. Das greift er in seinen Artikeln auf und führt es den Lesern vor Augen. Unter diesem Blickwinkel schreibt Trotzki seine Reportagen: Er will der Wahrheit wieder zum Durchbruch verhelfen. Sobald die Arbeiter ihre eigenen Interessen erkennen und sich durch den Verlauf der Ereignisse von der Vergeblichkeit des Krieges überzeugen, werden sie die ganze Opferbereitschaft und Energie, die anfänglich in den Dienst der Herrschenden gestellt wurde, für ihre eigenen Ziele einsetzen. Dieser Überzeugung entspringt die Synthese von illusionslosem Realismus und visionärer Kraft in Trotzkis Artikeln.
Die Schilderungen von Kriegsteilnehmern widerspiegeln die grausame Wirklichkeit der Geschehnisse für das Volk – für Studenten, die plötzlich eingezogen wurden, für arglose Bauern aus der Provinz, für Mütter und Ehefrauen, für alte Leute, für die Soldaten im Schützengraben, für die eroberte und ausgeraubte Zivilbevölkerung, für die massenhaft sterbenden Flüchtlinge.
Wer sonst schilderte so ungeschminkt die Leiden und Verbrechen des Krieges gerade in dem Moment, in dem die patriotische Bemäntelung und Lüge die wesentliche Voraussetzung für das allgemeine Gemetzel war? Weltruhm erlangte Erich Maria Remarques Antikriegsroman 'Im Westen nichts Neues', der im Jahr 1929 erschien. Die geringere Verbreitung von Trotzkis Texten ist eher den politischen Umständen, als der literarischen Qualität anzulasten. Der Essay 'Aus dem Notizbuch eines Serben' etwa bedurfte eines begnadeten Schriftstellers – aber nicht minder eines Revolutionärs, der inmitten der allgemeinen Benebelung einen klaren Blick und eine nüchterne Einschätzung behielt. Dasselbe gilt für 'Der Schützengraben', eine in ihrer Einfühlsamkeit überwältigende psychologische Studie des Soldatendaseins, das den vollständigen und unheilbaren Bruch mit dem bisherigen Leben herbeiführt.
Autorenportrait
1879 als Sohn jüdischer Bauern in der Ukraine geboren, schließt Leo Trotzki sich als Student der marxistischen Bewegung an. Er spielt eine führende Rolle in den Revolutionen von 1905 und 1917. Nach der Oktoberrevolution baut er die Rote Armee auf. 1923 gründet er die Linke Opposition, die den Kampf gegen die bürokratische Entartung der Sowjetunion führt, und 1938 die Vierte Internationale. 1940 wird er im mexikanischen Exil von einem stalinistischen Agenten ermordet.
Inhalt
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Vom Verfasser
Von der Redaktion
I. Briefe aus dem Westen
Ein politisches Moratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Zwei Armeen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Ein bosnischer Freiwilliger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Alle Wege führen nach Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Nach Nordwesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
French . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Die »japanische« Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
»Guerre d’usure« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Von Pontius zu Pilatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Woher es kam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Das »Siebente Infanterieregiment« im belgischen Epos . . . . . . . . 63
II. Der Balkan und der Krieg
Auf dem Balkan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
»Solide Argumente« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Serbische Terroristen und französische »Befreier«.
Die Stimmung in Wien während der ersten Kriegstage . . . . . . . . 80
Aus dem Notizbuch eines Serben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
III. Deutschland im Krieg
Die deutsche Opposition und die deutsche Diplomatie . . . . . . . . 100
In gegenseitigem Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Jenseits der Vogesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Cervantes und Swift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
In einer Atmosphäre der Instabilität und des moralischen Verfalls . . 108
IV. Russland im Krieg
Gregus als Demokrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Vabanque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Die Politik des »Hinterlandes« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Außer der Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Ein Konvent der Verwirrtheit und Machtlosigkeit . . . . . . . . . . . 127
Militärische Katastrophe und politische Perspektiven . . . . . . . . . 130
Unbegreiflich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
»Les Russes d’abord!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Das Wort hat nun der »Prisyw« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Wie es sich gehört . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Die Ereignisse nehmen ihren Lauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
»Narodnaja Mysl« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Plechanow über Chwostow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Jusqu’au bout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Eine Amnestie, aber von der falschen Seite . . . . . . . . . . . . . . 150
Ein ironischer Nasenstüber der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . 154
Mit slawischem Akzent und einem Lächeln auf den slawischen Lippen 157
Enttäuschungen und Beunruhigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Lehren aus der letzten Duma-Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Das Bemühen, es Makarow gleichzutun . . . . . . . . . . . . . . . . 166
Zwei Telegramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
Über den russischen Imperialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
V. Der Krieg und die Technik
Der Krieg und die Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Festung oder Schützengraben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Der Schützengraben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
VI. Hauptfragen und erste Ergebnisse des Krieges
Imperialismus und nationale Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Nation und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Ein Jahr Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Ihre Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Zum neuen Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Rund um das nationale Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Zwei Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
»Das Schicksal der Ideen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
Die »Garantie für einen Frieden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Man setzt auf die Starken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Psychologische Rätsel des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
VII. Durch Spanien
Spanische »Eindrücke« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Es war in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
VIII. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika
Der Schlüssel zur Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Die Wiederholung des bereits Vergangenen . . . . . . . . . . . . . . 266
Am Fenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Wer errät es? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
Wozu braucht Amerika einen Krieg? . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Die Schwierigkeiten des Lesers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Bearbeitung und Vergoldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
Krieg und Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
DER KRIEG UND DIE INTERNATIONALE
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
I. Die Balkanfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
II. Österreich-Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
III. Der Kampf gegen den Zarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
IV. Der Krieg gegen den Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
V. Der Verteidigungskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
VI. Der Zusammenbruch der Internationale . . . . . . . . . . . . . . 304
VII. Die revolutionäre Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313