Beschreibung
In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Zuständigkeit für Gesundheit mehr und mehr dem Verantwortungsbereich der Einzelnen zugeschrieben. Dieser seit einigen Jahrzehnten stärker werdende Trend ist durch zwei hoch ideologisierte, sich nur scheinbar widersprechende Topoi geprägt: zum einen durch die Forderung nach mehr Selbst- oder Eigenverantwortung, also im Bedarfsfall der Allgemeinheit nicht zur Last zu fallen. In dieser Lesart ist das Gesundheitssystem, ähnlich wie andere Politikfelder auch, Gegenstand sozialstaatlicher Deregulierung. Zum anderen ist dieser Trend geprägt durch die Forderung nach einer Anpassung des Lebensstils an umfassende Gesundheitsimperative, denen ein normiertes, vorwiegend funktionalistisch orientiertes Gesundheitsideal der 'gesunden Lebensführung' zugrunde liegt. In dieser zweiten Lesart lassen sich politisch motivierte Interventionen erkennen, die regulierend-direktiv das Gesundheitsverhalten im Sinne einer Verantwortungs- und Pflichtzuweisung an das Individuum beeinflussen wollen. Für beide Aspekte gilt gleichermaßen: widerspenstiger Eigensinn, der sich diesen Normierungen entzieht, oder gar Verstöße gegen diese Imperative werden mit Sanktionierungen und Disziplinierungen belegt. Dieser Trend wirft vielfältige Fragen auf, denen dieser Band des JKMG nachgeht.