Beschreibung
Die Psychologie hat sich im 20. Jahrhundert erfolgreich etabliert: Sie hat sich akademisch gut verortet, ist für Studierende nach wie vor attraktiv und setzt exzellente Abiturnoten voraus. Sie hat sich in der Psychotherapie einen anerkannten Platz neben der Medizin sichern können und sie ist stolz auf ihre methodische Kompetenz, die ihr schon beinahe den Rang einer Naturwissenschaft eingetragen hat. Mit dem Siegeszug der Neuropsychologie wird das Gehirn zur Erklärung aller menschlichen Tugenden und Untugenden herangezogen. Diese Entwicklung wurde erkauft mit einem Verlust an gesellschaftlichem Engagement und einer Unfähigkeit, die psychischen Befindlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten im globalisierten Kapitalismus thematisieren zu können. Genau dazu aber will dieses Buch ermutigen!
Autorenportrait
Heiner Keupp, geb. 1943 in Kulmbach (Ofr.), aufgewachsen in Thierstein bei Selb. Er hat Psychologie und Soziologie studiert und sich zwischen den beiden Disziplinen als Sozialpsychologe angesiedelt. In seinem fachlichen Selbstverständnis ist er einerseits von seinen Frankfurter Lehrern Adorno, Horkheimer und Mitscherlich und andererseits von der Studentenbewegung geprägt. In dieser Doppelsozialisation ist sein Selbstverständnis als Sozialwissenschaftlicher das eines sich einmischenden Zeitgenossen. Von 1978 bis 2008 war er Hochschullehrer für Sozial- und Gemeindepsychologie an der Universität München und hat auch dort dieses Selbstverständnis gelebt. Heiner Keupp hat sich in reformorientierten psychosozialen Verbänden engagiert: An der Gesundheitspolitik der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie und in der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie seit ihrer Gründung. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für gemeindepsychologische Forschung und Praxis. Sein besonderes Interesse gilt gesellschaftlichen Veränderungen und deren subjektiver Bewältigung. Er hat sich mit der Verarbeitung atomarer Gefahren ebenso beschäftigt wie mit der Stigmatisierung von Minderheiten, dem Umgang mit der NS-Vergangenheit und den psychosozialen Folgen der deutschen Vereinigung. Im Zentrum seines theoretischen Interesses steht gegenwärtig die Frage, wie sich in den Umbruchsturbulenzen eines sich globalisierenden Risikokapitalismus Identitäten ausbilden, die Ausbeutung von Menschen immer mehr auf deren innere Ressourcen zugreift und mentale Erschöpfungszustände und psychische Störungen fördert. Als Vorsitzender der Kommission, die den 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung zu Prävention und Gesundheitsförderung erstellt hat, hat Heiner Keupp sich intensiv damit beschäftigt, was Heranwachsende an Verwirklichungschancen brauchen, um ein gutes Leben führen zu können. Dazu gehört auch die Ermutigung, sich in die Gesellschaft und Politik einzumischen, und deshalb ist ihm die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement ein besonderes Anliegen.