Beschreibung
Erster Architekturführer über die Hauptstadt der 'Demokratischen Volksrepublik Korea', dem letzten Relikt des Kalten Kriegs – exklusives Material, zusammengestellt in Zusammenarbeit mit nordkoreanischen Fotografen und Architekten. Propagandatexte und offizielle Fotos bilden in dieser Publikation einen Schwerpunkt. Kenntnisreich wird das Originalmaterial in einen architekturtheoretischen und baugeschichtlichen Kontext gestellt. Ambitionierte Gesellschaftsbauten, monotone Wohntürme und eine monumentale Leere prägen die Drei-Millionen-Metropole, die während des Koreakriegs 1950 bis 1953 nahezu vollständig zerstört wurde. Das Buch wirft einen bislang unbekannten Blick auf die Hauptstadt des abgeschotteten Lands, das inzwischen seit mehr als drei Generationen von einem strengen Kommunismus beherrscht wird.
Inhalt Band 1:
Städtebau
Wohnungsbau
Kulturbauten
Bildung und Sport
Hotels und Warenhäuser
Verkehrsbauten
Denkmäler
Inhalt Band 2:
Philipp Meuser: Ein Führer, der keiner sein darf
Blick über Pjöngjang: Panoramen
Philipp Meuser: Architektonisches Kuriositätenkabinett
Ahn Chang-mo: Koreanische Baukultur
Massengymnastik als Volkssport
Christian Posthofen: Lernen von Pjöngjang
Christian Posthofen: Kim Jong-il: Über die Baukunst. Auszug und Kommentar
Philipp Meuser: Agitation im Stadtraum
Autorenportrait
Philipp Meuser Jahrgang 1969, freischaffender Architekt in Berlin. 1991–1995 Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin. 1995–1996 redaktionelle Tätigkeit im Feuilleton der NZZ, begleitendes Nachdiplomstudium Geschichte und Theorie der Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Abschluss 1997). 1996 Gründung des eigenen Architekturbüros mit Natascha Meuser. 1996–2001 Politikberater des Senators für Stadtentwicklung im Rahmen des Stadtforums Berlin. Seit 2001 verschiedene Projekte als Kurator für Goethe-Institute in der ehemaligen Sowjetunion, seit 2004 internationale Planungs- und Bauprojekte mit Schwerpunkt Osteuropa und Asien. Regelmäßige Vorträge im In- und Ausland sowie zahlreiche Publikationen mit Schwerpunkten Health Care Design und Architekturgeschichte der Sowjetunion.
Ahn Chang-mo, Jahrgang 1962, Architekturhistoriker und Professor an der Graduate School of Architecture, Kyonggi University. Studienaufenthalte an der Columbia University (1998) und an der Tokyo University (2010). Studium und Promotion (1997) an der Seoul National University. Zahlreiche Veröffentlichungen zur nord- und südkoreanischen Baugeschichte.
Christian Posthofen, Jahrgang 1956, Studium der Philosophie und Geschichte in Köln. Herausgeber der Kunstwissenschaftlichen Bibliothek sowie zahlreicher Architekturpublikationen. Seit 1980 Architektur- und Philosophie-Buchhändler bei Walther König in Köln und Berlin. Seit 2004 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg.
Rezension
17. August 2011, Neue Zürcher ZeitungMonument und WohnmaschineEin aufschlussreicher Architekturführer präsentiert Pjongjang als klinisch moderne MetropoleRoman Hollenstein Die schönsten Reisen sind oft jene, die man im Kopf macht. Entspannt im Liegestuhl auf der Terrasse zwischen Palmen und Eukalyptus, den Üetliberg in der Ferne, lässt es sich an einem schönen Sommertag mit einem Reiseführer in der Hand wunderbar von fernen Ländern träumen. In Gedanken streift man durch unbekannte Städte, bestaunt Bauten und Plätze. Nur das pralle Leben mit seinen fremden Klängen und geheimnisvollen Düften lässt sich nicht so leicht vergegenwärtigen. Das spielt im Fall von Pjongjang, der Hauptstadt Nordkoreas, aber keine Rolle, denn auch die wenigen Besucher, die dorthin gelangen, können nicht in den Alltag der Stadt eintauchen. Das erfährt man von Philipp Meuser, einem Berliner Architekten, der sich in den Metropolen autoritärer Staaten auskennt. In seinem jüngst erschienenen zweibändigen Architekturführer durch Pjongjang weiss er zu berichten, dass man sich als Individualtourist nur zusammen mit Führer, Dolmetscher und Chauffeur durch die Stadt der Wohnmaschinen und der Monumente bewegen und nur ausgewählte Orte sehen darf. Was derart abgeriegelt wird, weckt zwangsläufig unser Interesse. Dies umso mehr, als wir aus Nordkorea meist nur von bunten Aufmärschen oder drohenden Hungersnöten hören. Schon beim Durchblättern des ersten, vom Verlag für fremdsprachige Literatur in Pjongjang zusammengestellten Bandes stellt man erstaunt fest, dass das im Koreakrieg zerstörte Pjongjang in klinisch modernen Architekturformen wiedererstanden ist. Stramm ausgerichtete Wohnsiedlungen werden durch Hoteltürme, Kulturhäuser und Sporthallen akzentuiert, die manchmal den Vergleich mit westlichen Bauten durchaus bestehen. Die von grossen, fast autofreien Verkehrsachsen und dem Taedong-Fluss geprägte städtebauliche Inszenierung kulminiert am Kim-Il-Sung-Platz im Gegenüber von tempelartigem Volkspalast und Juche-Monument. Auf diesen 170 Meter hohen, die Staatsideologie verherrlichenden Aussichtsturm bittet einen Meuser im zweiten Band, der als 'Führer, der keiner sein darf' und deshalb auch nicht nach Nordkorea mitgenommen werden sollte, die Architekturdarstellungen des ersten Teils kritisch kommentiert. Acht vom Juche-Turm aus aufgenommene Panoramabilder vermitteln einen guten Überblick über die bald repräsentativ zur Schau sich stellende, bald von grauen Plattenbauten geprägte Stadt. Anschliessend begleitet einen Meuser durch das 'architektonische Kuriositätenkabinett' von Pjongjang, dem 'wahrscheinlich am besten erhaltenen Open-Air-Museum sozialistischer Baukunst'. Er lobt die gute Orientierung und Proportionierung der Reissbrettstadt, weist aber auch darauf hin, dass es nur wenige Orte auf dieser Welt gibt, in denen Architektur so untrennbar mit dem Staat verbunden ist wie in Pjongjang. Gleichzeitig konstatiert er das weitgehende Fehlen einer koreanischen Bautradition. So wirkt der 1982 zum 70. Geburtstag von Kim Il Sung errichtete Triumphbogen wie eine Verballhornung des Pariser Arc de Triomphe, während die Metrostationen eine blumige Variante des stalinistischen Zuckerbäckerstils darstellen. Das '1. Mai'-Stadion hingegen, das mit seinen 150 000 Plätzen das grösste weltweit sein soll, beeindruckt mit seiner eleganten, kranzförmigen Schalenkonstruktion. Aufsätze zur Stadt- und Architekturgeschichte Pjongjangs, zur bildlichen Agitation im Stadtraum und zu Kim Jong Ils Architekturtraktat 'Über die Baukunst' (samt einem dreissigseitigen Résumé dieser Schrift) runden den zweiten Band ab und machen ihn zu einem Handbuch der zeitgenössischen nordkoreanischen Baukultur. Um viele Eindrücke reicher, legt man schliesslich den Doppelband zur Seite, froh darüber, dass man die Stadt aus Distanz kennenlernen durfte – ohne zum ausländischen Voyeur zu werden, der gute Miene zum vordergründig überspielten Elend machen muss. ". das wohl sonderlichste Sachbuch der Buchsaison." DIE ZEIT Nr. 22/2011