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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783852523545
Sprache: Deutsch
Umfang: 60
Format (T/L/B): 21.0 x 15.0 cm
Auflage: 1., Aufl.
Einband: Gebunden

Autorenportrait

Die Mutter von Schnekidus war gestorben. Das ist, liebe Kinder, keine Tragödie, denn Schneckenkinder kennen meistens ihre Mutter gar nicht. Die Mutter legt ein Häufchen weißer Eier, und werden die nicht von einer Amsel gefunden, schlüpfen daraus kleine Schnecken. So ein Schneckenkind ruft nicht Mama. Und gar nicht: Mama, ich habe Hunger. Sie machen nur den Mund auf und fressen. Nicht so die Mama von Schnekidus. Sie wußte, daß der da ihr Schnekidus war. Und so dachte sich der fressende Schnekidus: Was die nur immer hat! Ich soll ihr Sohn sein? Meinetwegen. Und zwischen weiblich und männlich zu unterscheiden, hat eine Schnecke überhaupt keine Lust. Ein Sohn war fast so wie kein Sohn. Nein, war es nicht! Seine Mama war gestorben. Und er schrie. Mama! Mama! Schrie Schnekidus durch den Garten. So laut er nur konnte. Das ist nicht so laut, daß Menschenkinder das hören könnten, aber die Fledermäuse hörten den Klageruf von Schnekidus und sie weinten sofort herzzerbrechend, wo immer sie gerade hingen. Da ging ein lautloses Seufzen durch das alte Haus in Pasing und seinen kleinen alten Garten und die kleinen alten Gärten in der Nachbarschaft, wo so viele Blumen im Sterben lagen, weil gerade Herbst war. Schnekidus spürte aber, daß diese Gärten und dieser Herbst nicht ausreichen würden, um seinen Schmerz loszuwerden. Schnekidus schrie so laut, daß sich der Himmel zu ihm herniederbeugte. Als jedoch Schnekidus zum ersten Mal das Blau des Himmels erblickte, schrie er nochmals so laut, kam ihm doch dieses Blau als der Inbegriff und der Ingrimm des Schmerzes vor. Während sich Schnekidus im Schmerz krümmte, hinderte sein Schmerzensschrei die älteste, schwerste und zäheste Fledermaus am Festhalten, sie war bereits ein Vampir mit äußerster Krallenkraft, sie fiel zu Boden und wurde sofort von einer schwarzen Katze zerrissen. Schnekidus schrie sich in den Speicher hoch, schrie sich an einer Leiche aus dem vorletzten Jahrhundert lang, eine ordentlich gedörrte Leiche, deren Zähne noch immer elfenbeinfarben glänzten, wenn die Katze in einem äußerst knapp angesetzten Sprung über den Kopf hinwegfegte. Geruchfrei liegt die Leiche da und außerhalb der Luftfeuchtigkeit bekommt sie nur an den seltenen Wintertagen etwas Wasser ab wie heute, da Schnekidus schreit, so daß rasches Tauwetter gefriert und als nächstes der tauende Schnee sich am langsamer schmelzenden Eis staut und durch die Ritzen der Dachziegel zittert, was aus Schneemangel gar nicht mehr vorkommt, sondern der Aufschrei einer Schnecke bewirkt.

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