Beschreibung
Was können Literatur- und Geschichtswissenschaft von den Postcolonial Studies für ein besseres Verständnis der Habsburger Monarchie im "langen 19. Jahrhundert" (E. Hobsbawm) lernen? Die vorliegende Monografie, die Forschungsarbeiten des Autors aus fünfzehn Jahren zusammenfasst, geht nicht nur dieser Frage nach.
Im Anschluss an eine kritische Diskussion des Kolonialismus-Begriffs und eine Neubestimmung der Imagologie als Methodik kulturwissenschaftlicher Forschung werden Fallstudien präsentiert. Sie zeigen ein "koloniales Begehren" (S. Zantop) in exemplarischen literarischen Texten aus dem alten Österreich auf, die damit auch eine Auseinandersetzung mit dem Vielvölkerstaat selbst anzetteln: F. Kafkas In der Strafkolonie (1914), F. Grillparzers Dramentrilogie Das goldene Vließ (1818-20) und seine Reisetagebücher, P. Altenbergs Ashantee-Skizzen (1897) sowie A. Kubins Roman Die andere Seite (1909). Am deutlichsten jedoch tritt die österreichisch-ungarische Parallelaktion zum Kolonialismus der anderen europäischen Mächte anhand der Okkupation (1878) und Annexion (1908) Bosnien-Herzegowinas zutage. Die damit einhergehende imperiale Formatierung des Fremden wird anhand diverser kultureller Texte analysiert, bevor abschließend nach dem Fortwirken des ,k.u.k. Kolonialkomplexes' im posthabsburgischen Zentraleuropa des 20. und 21. Jahrhunderts gefragt wird.
Autorenportrait
Clemens Ruthner lehrt German & European Studies am Trinity College Dublin. Seine Forschungsgebiete umfassen deutschsprachige Literatur 19.-20. Jahrhunderts, Zentraleuropastudien, Bosnien-Herzegowina unter habsburgischer Verwaltung sowie Alterität und Kulturtheorie. Zur Zeit ist er Gastprofessor an der University of California, Berkeley (USA). XY