Beschreibung
Kein Luftzug. Die Kerzen, verdoppelt im Glas, schweigen. Ein Schlüssel dreht sich; der Herr verharrt auf der Schwelle, kann sie nicht überschreiten. Die Schirmmütze hat er tief in die Stirn gezogen, weiße Strähnen, kragenweit, lappen hervor. Er trägt eine dunkelbraune Lederjacke, die oberen Knöpfe fehlen; er sucht, hier im Haus, seine Kindheit. Ich bringe das alte Foto. Ein Baum, der sich zur Seite neigt, berührt mit brüchigem Laub das Haar einer Frau. Die Frau legt ihre schmalen Hände, die Finger verflochten, auf die hohe Lehne eines hölzernen Stuhls. Der Stuhl bietet einem Kind ewigen Aufenthalt. Das Kind sieht zur Seite. Seitlich sind zwei andere Kinder, sie sehen nach vorn. Vorn auf dem Bild schläft der Schatten des Baumes. Dem Baum fehlt ein Ast.
Fehlte er nicht, zerfiele das Bild.
Autorenportrait
Kurt Scharf:
geb. am 13. Mai 1954;
Fernstudium (1978 bis 1981) am Leipziger Literaturinstitut;
lebt in Wolgast