Beschreibung
Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Germanistisches Institut), Veranstaltung: Novellen nach ´45 und der Moderne, 2 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Süskinds Figur ist ein (Anti-)Held, der sich im verwirrenden Gestrüpp seiner Nervenfasern und Seelenfäden verheddert, heillos und ungeheilt. Er streift als vereinsamter, mehr oder minder psychotischer Sonderling durchs Leben. Psychologen sprechen von ´Beeinträchtigungswahn`, von einer Beeinträchtigung der Wahrnehmung, bei der die Mitwelt als feindlich erlebt wird. Die Reaktion solcher Individuen ist entweder der Totalrückzug auf eine Art ´innere Lebensinsel` oder ein verborgener, verbissen - aggressiver Feldzug gegen die Welt der anderen. Süskinds zu kurz gekommener Held sucht Halt, Anerkennung und letztlich doch nur dies: die Liebe der anderen. Je mehr sie von der Unmöglichkeit dieser Liebe überzeugt sind, desto unerbittlicher, auch gegen sich selbst, ergeben sie sich ihrem Perfektionsdrang, der sich an ausgesuchte Zustände bindet, wie der penibel ´erarbeitete` Zustand absoluter Ereignislosigkeit im minimalisierten Lebenswinkel. In diesen Fixierungen verdinglicht sich das existenzielle Defizitgefühl: Lebensuntüchtigkeit, Liebesunfähigkeit und das Ausgestoßensein. Aber seine sichere Insel in der unsicheren Welt suchen das nicht die meisten, was immer sie dafür halten? Hassen nicht die meisten jene Ereignisse, die das innere Gleichgewicht erschüttern und die äußere Lebensordnung durcheinanderbringen? Unsicherheit und Angst sind aber nicht auf der Ebene der Vernunft zu Hause - sondern im Irrationalen. Wenn man die Erzählung als Gleichnis für die selbstverschuldete oder auferlegte Isoliertheit des Menschen, für die Verlassenheit, die mit hilflosen Kulissen kaschiert wird, empfindet, so wird klar, dass diese schon beim Auftauchen einer Taube umfallen können. Dass aus dem jüdischen Jungen Jonathan Noel ein menschenscheuer Sonderling geworden ist, hat aber auch seine bösen Gründe. Die Erzählung Die Taube ist zwar ein symbolisch überhöht, nichtsdestotrotz sehr realistisch und kein Märchen. Ihr märchenhafter Ausklang indessen nimmt ihr versöhnlerisch die traurige, harte Schärfe, die das Werk über weite Strecken so auszeichnet. Süskind selbst hat einmal über sich gesagt: Auch ich verbringe den größten Teil meines Lebens in immer kleiner werdenden Zimmern, die mir zu verlassen immer schwerer fällt. Ich hoffe aber, eines Tages ein Zimmerchen zu finden, das so klein ist und mich so eng umschließt, daß es sich beim Verlassen von selbst mitnimmt. (1981)