Autorenportrait
Georg Christoph Lichtenberg, 1. 7. 1742 Ober-Ramstadt bei Darmstadt - 24. 2. 1799 Göttingen. Das jüngste von 17 Kindern einer Pfarrerstochter und eines aufgeklärten Landgeistlichen, der es bis zum Superintendenten von Hessen-Darmstadt brachte, war von schwächlicher Konstitution und seit früher Kindheit, wohl als Folge einer Rachitis, bucklig. Er blieb, auch als Erwachsener, klein. L. besuchte von 1752 bis 1761 das Gymnasium (Pädagogium) in Darmstadt, dem Wohnort der Familie seit 1745, und studierte dann von 1763 an Mathematik und Physik in Göttingen. Daneben unterrichtete er 1766-71 als Hofmeister reiche engl. Studenten (einer Berufung als Professor nach Gießen folgte er nicht). 1770 gelangte er so zum ersten Mal als Reisebegleiter nach England. Darüber hinaus stieß die Verbindung mit England auf Wohlwollen bei der Universitätsverwaltung und förderte seine Karriere. 1770 wurde er zum a. o. Professor der Philosophie ernannt. Während eines zweiten, eineinhalbjährigen Englandaufenthalts 1774-75, mit dem er einer Einladung früherer Schüler nachkam und der wesentlich zu seiner geistigen Bildung beitrug, erhielt er die Nachricht von seiner Berufung zum Ordinarius für Philosophie und Experimentalphysik (1775). 1780 nahm L. ein 15-jähriges Blumenmädchen als Geliebte zu sich; sie starb 1782. 1789 heiratete er seine Geliebte Margarethe Kellner (acht Kinder 1784-97). Zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften (Göttingen, St. Petersburg, London usw.) nahmen ihn auf und unterstrichen seinen Rang als Physiker (Lichtenberg-Effekt). Mit Veröffentlichungen im Göttinger Taschen Calender, den er von 1778 bis 1799 redigierte, im Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur, das er 1780-85 mit G. Forster herausgab, oder in Heinrich Christian Boies Deutschem Museum versuchte er, aufklärerisches Denken verständlich darzustellen und zu popularisieren. Berühmt (und gefürchtet) waren seine Satiren, die u. a. J. C. Lavaters Theorie der Physiognomik oder J. H. Voß und seine Vorstellungen von der Transkription des Griechischen aufs Korn nahmen. Ein geplanter großer satirischer Roman kam - wie manche andere Projekte - nicht zustande. Seine enge Beziehung zu England manifestierte sich in seinen Briefen aus England, dem literarischen Ertrag seines Aufenthalts 1774-75, und in den Erklärungen der satirischen Kupferstiche von William Hogarth, auf denen L.s Ruhm v. a. im 19. Jh. basierte. Als sein eigentliches Hauptwerk haben jedoch die von L. selbst so bezeichneten Sudelbücher zu gelten, die er spätestens seit 1764 führte. Darin stehen ohne Ordnung literarisch durchgeformte Aphorismen, private Notizen, wissenschaftliche Bemerkungen, Exzerpte, Zitate, Reflexionen über die verschiedensten Gegenstände, Gedankenspiele, Ideen-Körner usw. Radikale Selbsterforschung, Erkenntnis der Bedeutung der Sexualität für menschliches Handeln und Denken, ausgesprochenes Interesse an Träumen gehören zu den besonders hervorzuhebenden Zügen der Aphorismen, die Offenheit und Modernität des Denkens mit Witz und Ironie verbinden. Eine kleine Auswahl erschien in den postumen Vermischten Schriften. Vollständig wurden sie erst im 20. Jh. gedruckt. In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.