Beschreibung
"Gestatten Sie mir, Sie erst einmal von der Saar zu grüßen. Und ich lade Sie ein zu einem Spaziergang durch die Hauptstadt des Saargebietes, Saarbrücken. Durch das Fenster in meinem Hotelzimmer brandet das Leben - schneller und heftiger wegen des Plebiszits. Sicher haben Sie schon häufiger von der Saarabstimmung gelesen und auch in diesen Reportagen wird es um ihre Bedeutung gehen, aber zuerst einmal schauen wir uns die Stadt an, damit Sie sich die Umgebung vorstellen können, in der alle Abstimmungsfäden zusammenlaufen." Mit diesen Worten beginnt Frantisek Kocourek seine erste Radioreportage aus dem Saargebiet, das Anfang 1935 im Brennpunkt der Weltöffentlichkeit steht und Reporter aus vielen Ländern anlockt. Kocourek kam für den Prager Rundfunk nach Saarbrücken, um über die Volksabstimmung und die Situation im "letzten Teil des freien Deutschlands", wie er das damalige Saargebiet bezeichnete, zu berichten. Seine für den Rundfunk und zwei tschechische Zeitschriften verfassten Texte bestechen noch heute durch ihren Kenntnisreichtum und ihre Lebendigkeit. Kocoureks Schreibstil bringt die Atmosphäre des Jahres 1935 zurück. Der Blick von außen, der eines demokratisch gesinnten Tschechen, spiegelt die Ereignisse von damals in einer Weise, die uns berührt. Die sorgfältige Edition von Alena Wagnerová und die einfühlsame Übersetzung aus dem Tschechischen von Raija Hauck erschließen eine bislang unbekannte Quelle für die Geschichte der Saarregion. Eine ebenfalls bislang unbekannte, 1934 in Prag auf Tschechisch erschienene Reportage zur Saarfrage von dem damals 20-jährigen Stefan Heym und ein Nachwort von Erich Später erweitern und vertiefen die politischen Zusammenhänge zwischen dem Saargebiet und der Tschechoslowakischen Republik in den 1930-er Jahren. Zahlreiche Fotografien ergänzen den Band.
Autorenportrait
Frantisek Kocourek (1901-1942) gehörte zu den profiliertesten und bekanntesten Persönlicheiten der tschechoslowakischen Journalistik der Vorkriegszeit. Der gebürtige Prager studierte an der Karlsuniversität seiner Heimatstadt sowie in Berlin, Paris und Aix-en-Provence und bereiste viele Länder. Als vielseitiger Rundfunkreporter trug er wesentlich zur Programmentwicklung des damals neuen Mediums bei. Nach der Okkupation geriet er bald ins Visier der Gestapo, wurde 1941 verhaftet und starb ein Jahr später in Auschwitz-Birkenau.