Beschreibung
In der Aktionskunst der 50er und 60er
Jahre des 20. Jahrhunderts ist für keinen
Betrachter zu übersehen, dass Zeitlich-Sich- Ereignendes zum Schwerpunkt der bildenden Kunst geworden ist. Die hier kulminierende Tendenz zur Verzeitlichung hat jedoch einen längeren Entwicklungsgang durchlaufen. Der Dichter Lessing hatte 1766 in seinem Aufsatz Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie eine strenge Trennung von Zeit- und Raumkünsten als dauerhaftes Gesetz definiert. Dabei waren der bildenden Kunst simultan nebeneinander präsente Zeichen im Raum zugeordnet, der Musik hingegen das Nacheinander in der Zeit. Doch nicht erst in den Serien Monets oder gar im Action Painting bei Jackson Pollock beginnt sich diese Grenze aufzulösen, sondern bereits in der Landschaftsmalerei des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Die Beschäftigung mit den Auswirkungen der Zeit erweist sich als ein übergreifendes, allgemeines Prinzip, das Wissenschaften und Philosophie der Neuzeit immer stärker prägt. Der Paradigmenwechsel vom Räumlichen und Zeitlosen zum Zeitlichen, der sich zwischen 1780 und 1860 in der Wolken-, Himmel- und atmosphärischen Landschaftsmalerei manifestiert, läßt sich daher als ein paralleles Geschehen im Vorgang der Verzeitlichung erkennen. Dabei wird einerseits auf der motivischen Ebene die Zeit über das bewegte Phänomen zum Darstellungsgegenstand, andererseits werden auf der Ebene der Komposition und des Mediums bildnerische Mittel und Verfahren verzeitlicht. In der pluralen Skizzenpraxis wird das Nacheinander in der Zeit zum Wesens- und Strukturkriterium der Malerei.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die systematische Analyse der Verzeitlichungstendenzen in der europäischen Landschaftsmalerei zwischen 1780 und 1860. Die Veränderungen auf der motivischen, kompositorischen und medialen Ebene, die sich nacheinander vollziehen, werden an den für das jeweilige Stadium repräsentativen Künstlern untersucht. Für Valenciennes, Constable, Dahl, Blechen und Turner werden die für sie individuell verbindlichen kunsttheoretischen Implikationen berücksichtigt sowie auch die den gesamten Zeitraum überspannende Modernisierungsbewegung allgemein.