Beschreibung
Hier steh'n wir unter'm Apfelbaum, Hier will ich von dir scheiden, Hier träumte ich so manchen Traum, Hier trägt sich auch ein Leiden. Hier sah ich dich zum ersten Mal, In winterlicher Oede! Wie war der Baum so nackt und kahl, Wie warst du kalt und spröde! Doch bald ergrünte Zweig nach Zweig, Und alle Knospen trieben. Da sprang dein Herz, den Knospen gleich, Da fingst du an, zu lieben. Wie ist er jetzt von Blüten voll! Wie wird er reichlich tragen! Doch, wer ihn für dich schütteln soll, Das wüßt' ich nicht zu sagen. Hei! Wie dich säuselnd jener Ast Mit rothem Schnee bestreute, Als ob er schon die schwere Last Der künft'gen Früchte scheute! Wenn über's Meer der Herbstwind pfeift Und an dem Mast mir rüttelt, So denke ich: sie sind gereift, Und er ist's, der sie schüttelt! Und muß mein Schiff vor seinem Braus Gar an ein Felsriff prallen, So ruf' ich noch im Scheitern aus: Die schönste will nicht fallen!
Autorenportrait
Christian Friedrich Hebbel (* 18. März 1813 in Wesselburen, Dithmarschen; gestorben 13. Dezember 1863 in Wien) war ein deutscher Dramatiker und Lyriker. Sein Pseudonym in der Jugend war Dr. J. F. Franz. Neben seinen Hauptwerken, den beiden Trauerstücken Agnes Bernauer und Maria Magdalena, gehören Liebesgedichte wie Sie seh'n sich nicht wieder, Wenn die Rosen ewig blühten, Naturgedichte wie Sommerbild und Herbstbild sowie einige Balladen, darunter Der Heideknabe oder Liebeszauber und seine Tagebücher zu den Höhepunkten seines Schaffens wie der Literatur des Realismus. Sein Drama Die Nibelungen stellt die wichtigste Bearbeitung des Epos für das Theater dar.