Wie es ist, wenn der Verstand spazieren geht und erst nach einem Monat zurückkehrt.
Eines Tages bleibt ihm das Vertraute und das Alltägliche versagt. Er erleidet einen Zusammenbruch und sein verlorener Verstand bringt ihn zur Tür einer psychiatrischen Klinik. Von dort aus untersucht er die Welt und sich selbst, mit zerbrochenen Worten und der Hilfe seines aus dem Gleichgewicht geratenen Verstandes. Die Erzählung umspannt die Zeit zwischen Dezember und Neujahr. Für den verwirrten Geist des Protagonisten verläuft die Zeit unregelmäßig, und wird von Halluzinationen und Medikamenten beeinflusst. Er beschließt seine Zeit mit dem Schreiben eines Theaterstücks über verrückte Menschen totzuschlagen, ein Stück, das den Wahnsinn lobt, und setzt so hilfreiche Kräfte frei. Das Stück wird an der Neujahrsfeier in Psychiatrie aufgeführt – zwar nicht wie geplant, aber es wird aufgeführt.
Der Bodensatz der Gesellschaft hat es nicht allzu gemütlich, doch wenn man am absoluten Tiefpunkt ankommt, hat man wieder festen Boden unter den Füssen – das ist das Gute daran. Und es gibt interessante Charaktere dort unten, die verrückt genug sind, ihre Meinung zu sagen.
Juha Hurmes Der Verrückte ist eine winterliche Reise durch den menschlichen Verstand.
Juha Hurme, 1959 im finnischen Paimio geboren, hat Biologie studiert. Seit den 90er Jahren schreibt und inszeniert er Theaterstücke und hat mehrere Romane veröffentlicht. Hurme gilt als einer der innovativsten Theaterregisseure und Drehbuchautoren Finnlands. 2006 erhielt er den Eino-Leino-Preis für seine Klassiker-Inszenierungen, 2014 den Jarkko-Laine-Preis für seinen Roman "Nyljetyt ajatukset" (Gehäutete Gedanken) sowie den wichtigsten Theaterpreis Finnlands, den Eino-Kalima-Preis. Für seinen Roman "Niemi" (Die Halbinsel) wurde Hurme 2017 mit dem Finlandia-Preis ausgezeichnet.
"Juha Hurme versteht sich auf das Drama. Romane, die in einer psychiatrischen Einrichtung spielen, sind meist in düsterem Ton gehalten. Diese Erzählung ist jedoch leicht, wirft sanfte Wellen, kräuselt sich und platzt auf. Das Ergebnis ist etwas, das man mit Ken Keseys Klassiker 'Einer flog über das Kuckucksnest' vergleichen könnte."
Helsingin Sanomat Zeitung
Es fängt mit dem Tod an. Einem der verschiedenen Tode, die der Erzähler kennengelernt hat. Bereits auf der vierten Seite stirbt er zum dritten Mal und leitet damit die eigentliche Geschichte ein. In dieser Geschichte nimmt er uns ohne Vorwarnung in seine chaotische Gedankenwelt mit. Bereits in den ersten Minuten fragt man sich, ob hier noch die Realität oder ein Traum oder etwas dazwischen beschrieben wird. Die Geschichte erzählt vom Anmarsch des 'Es', das binnen weniger Stunden vom Erzähler Besitz ergreift. Plötzlich erscheinen die alltäglichsten Tätigkeiten unmöglich. Gegenwart, weit zurückliegende Erinnerungen und Reflexionen über eigene und fremde Menschenbilder vermischen sich. "Tot musste ich sein, weil sich das Koordinatensystem vollkommen verändert hatte." Er verliert wiederholt die Orientierung und das Gefühl für Raum und Zeit und wird von Halluzinationen geplagt, während Paranoia und Misstrauen stetig zunehmen. Also begibt er sich in die Anstalt, zuerst in das gelbe Haus, dann in das weiße Haus daneben. Bereits nach kurzer Zeit wird er in die geschlossene Abteilung, das graue Haus, verlegt. Von nun an erlebt er Einiges im Dämmerzustand und bekommt regelmäßig Medikamente und Spritzen verabreicht. Seine schwerkranke Mutter taucht regelmäßig auf, mal älter, mal jünger, mal lebendig, mal sterbend. Immer wieder gehen Gegenwart und Vergangenes nahtlos ineinander über. Auch seine Tochter und seine Partnerin kommen mehrfach vor. Einige Teile der Erzählung lesen sich wie Beschreibungen eines Traums, in dem sich ständig Kulissen und Personen verwandeln. Indessen macht er die Bekanntschaft diverser anderer Patienten, darunter die junge 'Einsdreiundsechzigeinhalb' und der Prophet Aamos, 'Stechblick' und der Retromusik-Freak Puupponen. Der Erzähler versucht, die Logik und die Gedanken der Geisteskranken um ihn herum zu schildern. Dabei hindert ihn das innere Chaos keineswegs an scharfsinnigen Beobachtungen und Analysen gesellschaftlicher Phänomene; unter anderem widmet er sich einer vergleichenden Studie der Weihnachtsevangelien. Er liest viel, vor allem Werke des finnlandschwedischen Dichters Josef Julius Wecksell, schreibt aber auch selbst, um "bei Verstand zu bleiben". Zunächst verfasst er eine Geschichte über den verworrenen Lebenslauf des finnischen Autors Maiju Lassila. Später schreibt er ein Theaterstück über J. J. Wecksell, in dem dieser die Tragödie 'Daniel Hjort' ersinnt und verfasst. Das Stück wird an Silvester in der Anstalt von den Patienten uraufgeführt und umfasst gut 70 Seiten des vorliegenden Buches.
Der Verrückte ist - analog zum Inhalt - in einer etwas abstrus bildhaften Sprache verfasst, mit skurrilen Metaphern und ungewöhnlichen Wortverbindungen durchsetzt, die von Maximilian Murmann überzeugend ins Deutsche übertragen wurden. Der Theaterexperte Juha Hurme hat in der Vergangenheit selbst eine kurze Zeit mit einer Psychose in einer psychiatrischen Klinik verbracht und seine eigenen Erfahrungen in Der Verrückte verarbeitet. Thematisch ist es keine leichte Kost, aber der oft amüsante Erzählstil lässt keine Schwermut aufkommen. Für Freunde des Außergewöhnlichen auf jeden Fall zu empfehlen!
http://www.finnland-tour.de/hurme_verrueckte.html
Es gibt immer etwas zu entdecken im Schweizer Kommode Verlag. Da gab es den künstlerisch gestalteten Band „Belichtungen“ von Nadine Olonetzky und den hervorragenden Roman „Kind aus Glas“ von Maarja Kangro und nun also „Der Verrückte“. Schon auf den ersten Seiten, weiß ich, dass ich mich in diesem Roman zuhause fühle, geht es doch um diejenigen, die einmal oder immer mal wieder aus dem System herausfallen, ungewollt, einfach weil sie und ihr Bewusstsein manchmal etwas anders ticken, eine Pause brauchen von dieser schnellen Welt und weil der Held dieser Geschichte bald seine Rettung in der Literatur sieht.
„Das erste Mal starb ich Anfang der Achtziger in Schweden, mit knapp über zwanzig.“
Das ist der erste Satz dieses Romans. Juha Hurme hält sich aber weder mit dem ersten noch dem zweiten Sterben lange auf, sondern erzählt uns die Geschichte des dritten Sterbens, welches im Jahr 2009 zur Adventszeit in Helsinki stattfindet. Es erwischt den Helden dieses Romans eiskalt.
„Ich spürte, dass Es kam. Dieses Buch erzählt Davon. Von Dem, was keinen Namen hat. Ich lag mit offenen Augen auf dem Bett und schätzte, wie weit Es weg war. Es war eindeutig näher als je zuvor, um die Ecke, würde ich sagen.“
Das „Es“ bringt in schließlich nach einer schrecklichen Nacht soweit, sich im gelben Haus einzufinden, sich selbst einzuweisen. Der Ich-Erzähler wird von Wahnvorstellungen geplagt, er glaubt, er sei tot. Kein klarer Gedanke scheint mehr zu fassen zu sein. Vollkommen außer Rand und Band kommt er in eine psychiatrische Abteilung, wo es doch recht schnell zu einer Randale kommt, zu einem Zweikampf mit einer „Handlangerin“ und später mit einem „Schlägertrupp“. Nach durch Beruhigungsmittel aus dem „Chemielabor“ verschlafenen, verlorenen(?) Tagen folgt die Verlegung in die geschlossene Abteilung. Hier kommt es zu den interessantesten Begegnungen mit Mitpatienten, wie „Einsdreiundsechzigeinhalb“, die jeden zur Begrüßung nach der Größe fragt oder mit Puupponen, der die Musikszene der 68er neu aufmischt. Auch kommt es zu Flashbacks in die Kindheit. Auch die war schon von kleineren Verrücktheiten, zumindest aber von enormer Fantasie und Kreativität durchzogen. Und nun sieht er seine Mutter, seinen Vater, die sich schließlich als Mitpatienten erweisen und wird nachts von hanebüchenen Träumen verfolgt. Da hilft nur die Literatur. Manchmal ist es dann auch die Bibel, die auf Stichhaltigkeit überprüft wird, schließlich ist bald Weihnachten.
„Bei Matthäus gibt es keinen Stall, sondern Maria gebärt ganz gewöhnlich zu Hause, in der Stadt, in der sie mit Josef wohnt. Der Stern führt die Weisen zu ihrem kleinen Eigenheim. Hier bedarf es auch keiner Engel oder anderer himmlischer Divisionen.“
Im Gepäck dabei ist auch der finnische Dichter und Dramaturg J.J. Wecksell (der selbst in der Psychiatrie landete, unter anderem zeitweise in Köln), dessen Werk unseren Helden anregt, ein Stück über dessen Wirken zu schreiben. Ein Stück, dass ihm hilft, wieder mehr zu sich zu kommen: Schreiben tut gut. An Silvester soll es aufgeführt werden. Als Schauspieler fungieren die Leidensgenossen und die schmeißen sich so richtig ins Zeug, obwohl manch einer dann doch abspringt oder reißaus nimmt.
„Verworrenheit ist ein Zeichen der Zeit,
Verworrenheit ist die einzige Lösung
für das Rätsel des Lebens.“
Das wilde Stück findet komplett Eingang ins Buch und ich lerne J.J. Wecksell (1838 – 1907) kennen, wenn auch aus sehr schräger Perspektive, aber was ich nicht verstehe, kann ich ergooglen. So erweitert dieses herrlich außergewöhnliche, in aller Tragik enorm witzige Buch meinen Horizont und womöglich auch mein Bewusstsein. Für alle, die es „gegen den Strich“ und skurril mögen ein Glücksfall!
Der 1959 geborene finnische Autor Juha Hurme inszeniert auch Theaterstücke und schreibt Romane. Mit beidem ist er in Finnland sehr erfolgreich. Er setzt sich außerdem für die schwedische Sprache in Finnland ein. Übersetzt wurde das Buch von Maximilian Murmann. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.
Hinweis: Der Umstand, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, hat keinerlei Auswirkung auf meine Wahrnehmung und Rezension des Buches.
Von Marina Büttner, Literatur leuchtet - Ein literarischer Buchblog
Ein namenloser Protagonist, dessen Tod und ein gelbes Haus. So die Ausgangskonstellation von Juha Hurmes Roman. In der Folge installiert Hurme einen inneren Monolog, der erst wieder halt macht, als der Protagonist das gelbe Haus lebend verlässt.
Gleich im ersten Satz berichtet der Ich-Erzähler von seinem ersten Tod. Gefolgt von den Toden zwei und drei. Ihm ist da bereits klar, dass “Es” kommen wird. In manischem Wahn gefangen (besagtes Es), strauchelt der Erzähler durch Strassen und öffentliche Verkehrsmittel, magisch angezogen von einem gelben Haus. Den Menschen im gelben Haus erklärt er, dass er tot sei, worauf Verhöre folgen, die er möglichst wahrheitsgetreu zu beantworten sucht. Sie behalten ihn da, im gelben Haus. Der Verrückte bezieht seinen Posten und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Es gibt zwei Arten, wie man sich diesem Roman nähern kann. Entweder man betrachtet ihn als fiktionales Werk über einen Krankheitsverlauf, als Schilderung des daraus folgenden monatigen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik oder man sieht Der Verrückte als Aufarbeitung eigener Erfahrungen des Autoren Juha Hurme, der diese zwar klar fiktionalisiert, sich in seiner Erzählung aber trotzdem ganz deutlich auf autobiografische Erfahrungen stützt. Keine dieser Lesarten ist falsch, aber erst in ihrer Verbindung entfaltet sich die volle Raffinesse und Nuanciertheit von Hurmes Prosa.
Hier war eine Realität entschlossen über eine andere gelegt worden. Der Gesamteindruck war atemberaubend.
Juha Hurme: Der Verrückte, S. 173.
Nach der ersten Lesart ist das ein absolut furioser innerer Monolog, der den wilden Gedankenströmen des Protagonisten folgt. Zu Beginn eine raffiniert geschilderte Psychose, wird das Tempo mit der Zeit etwas gemächlicher und macht Platz für Absurditäten, Schalk, Galgenhumor und Witz. Gerade der letzte Teil ist erstaunlich heiter und amüsant, die Bewohner stellen ein vom Protagonisten verfasstes Theaterstück über J.J. Wecksell nach. Das beginnt mit einer amputierten Maus und endet in einem Luftgitarrensolo von Puupponen. Die Figuren wissen zu bezaubern und amüsieren, werden aber nie als klischierte Witzfiguren missbraucht. Also bereits in einer rein textimmanenten Lesart ist das ein unterhaltsamer, clever konstruierter Roman.
Gleich im ersten Satz berichtet der Ich-Erzähler von seinem ersten Tod. Gefolgt von den Toden zwei und drei. Ihm ist da bereits klar, dass “Es” kommen wird. In manischem Wahn gefangen (besagtes Es), strauchelt der Erzähler durch Strassen und öffentliche Verkehrsmittel, magisch angezogen von einem gelben Haus. Den Menschen im gelben Haus erklärt er, dass er tot sei, worauf Verhöre folgen, die er möglichst wahrheitsgetreu zu beantworten sucht. Sie behalten ihn da, im gelben Haus. Der Verrückte bezieht seinen Posten und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Es gibt zwei Arten, wie man sich diesem Roman nähern kann. Entweder man betrachtet ihn als fiktionales Werk über einen Krankheitsverlauf, als Schilderung des daraus folgenden monatigen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik oder man sieht Der Verrückte als Aufarbeitung eigener Erfahrungen des Autoren Juha Hurme, der diese zwar klar fiktionalisiert, sich in seiner Erzählung aber trotzdem ganz deutlich auf autobiografische Erfahrungen stützt. Keine dieser Lesarten ist falsch, aber erst in ihrer Verbindung entfaltet sich die volle Raffinesse und Nuanciertheit von Hurmes Prosa.
Hier war eine Realität entschlossen über eine andere gelegt worden. Der Gesamteindruck war atemberaubend.
Juha Hurme: Der Verrückte, S. 173.
Nach der ersten Lesart ist das ein absolut furioser innerer Monolog, der den wilden Gedankenströmen des Protagonisten folgt. Zu Beginn eine raffiniert geschilderte Psychose, wird das Tempo mit der Zeit etwas gemächlicher und macht Platz für Absurditäten, Schalk, Galgenhumor und Witz. Gerade der letzte Teil ist erstaunlich heiter und amüsant, die Bewohner stellen ein vom Protagonisten verfasstes Theaterstück über J.J. Wecksell nach. Das beginnt mit einer amputierten Maus und endet in einem Luftgitarrensolo von Puupponen. Die Figuren wissen zu bezaubern und amüsieren, werden aber nie als klischierte Witzfiguren missbraucht. Also bereits in einer rein textimmanenten Lesart ist das ein unterhaltsamer, clever konstruierter Roman.
Gleich im ersten Satz berichtet der Ich-Erzähler von seinem ersten Tod. Gefolgt von den Toden zwei und drei. Ihm ist da bereits klar, dass “Es” kommen wird. In manischem Wahn gefangen (besagtes Es), strauchelt der Erzähler durch Strassen und öffentliche Verkehrsmittel, magisch angezogen von einem gelben Haus. Den Menschen im gelben Haus erklärt er, dass er tot sei, worauf Verhöre folgen, die er möglichst wahrheitsgetreu zu beantworten sucht. Sie behalten ihn da, im gelben Haus. Der Verrückte bezieht seinen Posten und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Es gibt zwei Arten, wie man sich diesem Roman nähern kann. Entweder man betrachtet ihn als fiktionales Werk über einen Krankheitsverlauf, als Schilderung des daraus folgenden monatigen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik oder man sieht Der Verrückte als Aufarbeitung eigener Erfahrungen des Autoren Juha Hurme, der diese zwar klar fiktionalisiert, sich in seiner Erzählung aber trotzdem ganz deutlich auf autobiografische Erfahrungen stützt. Keine dieser Lesarten ist falsch, aber erst in ihrer Verbindung entfaltet sich die volle Raffinesse und Nuanciertheit von Hurmes Prosa.
"Hier war eine Realität entschlossen über eine andere gelegt worden. Der Gesamteindruck war atemberaubend."
Juha Hurme: Der Verrückte, S. 173.
Nach der ersten Lesart ist das ein absolut furioser innerer Monolog, der den wilden Gedankenströmen des Protagonisten folgt. Zu Beginn eine raffiniert geschilderte Psychose, wird das Tempo mit der Zeit etwas gemächlicher und macht Platz für Absurditäten, Schalk, Galgenhumor und Witz. Gerade der letzte Teil ist erstaunlich heiter und amüsant, die Bewohner stellen ein vom Protagonisten verfasstes Theaterstück über J.J. Wecksell nach. Das beginnt mit einer amputierten Maus und endet in einem Luftgitarrensolo von Puupponen. Die Figuren wissen zu bezaubern und amüsieren, werden aber nie als klischierte Witzfiguren missbraucht. Also bereits in einer rein textimmanenten Lesart ist das ein unterhaltsamer, clever konstruierter Roman.
Aber erst, wenn man den Roman auch als Verarbeitung autobiografischer Erfahrungen liest, wird aus dem furiosen inneren Monolog ein raffiniertes, wahrhaftiges Stück Literatur. Juha Hurme erlitt nach dem Tod seiner Mutter 2009 eine Psychose, aufgrund derer er einen Monat in einer Psychiatrie verbrachte und das nächste Jahr über mit schwersten Depressionen zu kämpfen hatte. Jene Erfahrungen hat er in diesem Roman verarbeitet (Im finnischen Original (Hullu) 2012 erschienen und später zu einem Theaterstück umgearbeitet.). Die Stationen des Romans, decken sich ziemlich genau mit den eigenen Erfahrungen (Aufenthaltsdauer, Zeitraum etc.) müssen also eigentlich auch als Elemente eines Verarbeitungsprozesses gelesen werden. Aus diesem Bezug gewinnt der Roman einen grossen Teil seiner Furiosität, der Abstieg in den eigenen Wahnsinn wird genauso eindringlich geschildert, wie der lange, harte und stete Tritt, den es für den Wiederaufstieg benötigen wird. Hurme beweist sich dabei als penibler Betrachter seiner Selbst, als Protokollant des beschädigten eigenen Geistes.
Maximilian Murmann hat Hurmes Roman in ein, von der Wortwahl her, einfaches, fliessendes Deutsch übertragen, das der Strudelhaftigkeit der Gedankenströme gerecht wird, strukturell den Ursprung aus dem Finnischen aber nie verschleiert. Ganz bewusst wurde auch sprachlich einiges vom finnischen Original beibehalten (Eigennamen etc.), wodurch beim Lesen immer klar ist, dass man hier ein “finnisches” Buch liest. Von Verlagsseite wurde das Buch sehr ansprechend gestaltet und gerade typografisch wirkt das Buch frisch und leicht, weil der schweren Schrift viel Raum und Platz zugestanden wird.
Der Verrückte ist keine leichte Kost. Man folgt dem Protagonisten an den Tiefpunkt seines Lebens. Dieser Tiefpunkt ist furios geschildert, lässt aber auch die Absurdität und Heiterkeit nicht zu kurz kommen. Ein durch und durch lesenswertes Plädoyer gegen die Stigmatisierung von Geisteskrankheiten. Und ein richtig guter Roman.
Von Nick Lüthi, Book Gazette - Buchentdeckungen aus unabhängigen Verlagen