Beschreibung
Sie war schon jenseits der vierzig und seit kurzem auch eine 'gedruckte' Dichterin, als sie von einem wahren poetischen Schaffensrausch erfaßt wurde – als ihr die 'Gedanken und Bilder', wie sie schrieb, förmlich 'gegen den Hirnschädel' pochten und 'mit Gewalt ans Licht' drängten. Und 'gleich einer Mänade' mit sturmdurchwühlten Locken kam sie sich vor, als sie im Herbst des Jahres 1841, zu Gast bei ihrer Schwester in Meersburg, auf dem Turm des alten Schlosses stand und in ihrer Phantasie zu wahrhaft tollkühnen Flügen aufbrach: Annette von Droste-Hülshoff, die in jenen Tagen ihre ausdrucksstärksten Gedichte schuf.
Allein, selbst in dieser euphorischen Stimmung (und mit einem jungen Literaten an ihrer Seite, in dem sie ihren seelenverwandten 'Dioskuren' sah), ließ sie sich doch von ihrer Lebenswirklichkeit einholen, weshalb dann auch ihr großes Poem 'Am Turme' mit den resignativen Versen endete:
'Nun muß ich sitzen so fein und klar,/ Gleich einem artigen Kinde,/ Und darf nur heimlich lösen mein Haar/ Und lassen es flattern im Winde.'
Und so hat diese Anna Elisabeth Reichsfreiin von Droste zu Hülshoff zeitlebens, pflichtbewußt, die ihr zugefallenen 'Rollen' gespielt: als Frau; als Tochter; als Schwester und ledige Tante; nicht zuletzt als Aristokratin und als Katholikin. Doch wenn sie sich an ihren Schreibplatz zurückziehen (und gleichsam 'heimlich ihr Haar lösen' konnte), dann verwandelte sie sich in eine Dichterin – dann entstanden ihre spukhaften Balladen und ihre schaurig düsteren Moor- und Heidebilder, ihre inbrünstigen, gleichwohl von tiefen Glaubenszweifeln durchzogenen geistlichen Lieder und ihre bezwingenden Prosastücke wie die 'Judenbuche' oder der – leider Fragment gebliebene – Roman 'Bei uns zu Lande auf dem Lande', die herrlich humorvolle Schilderung ihrer westfälischen Heimat (und ihrer Familie).
In diesem Buch entwirft Heiko Postma ein Porträt der Autorin und hat dabei, versteht sich, auch allerlei aus ihren Werken zitiert.