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'Wir sind die Letzten, fragt uns aus!'

Erfahrungen und Einsichten des 90-jährigen Max-Joseph Halhuber, Wie ein alter na

Erschienen am 01.06.2007
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783940061027
Sprache: Deutsch
Umfang: 117
Auflage: 1. Auflage
Einband: Gebunden

Beschreibung

Natürlich weiß ich aus meiner eigenen Jugend, dass alte Menschen von den jungen nicht ganz ernst genommen werden. Aus meiner Selbstbeobachtung halte ich diese Einstellung für teilberechtigt. Ich vermute und rede mir ein, dass Altersweisheit und Altersschwachsinn nebeneinander existieren können. Man sollte sie aber in jedem Einzelfall zu unterscheiden versuchen. So beginnt der 90-jährige Max-Joseph Halhuber seine Gedankensplitter, in welchen er offen und ehrlich von seinem Befinden, seinen Sorgen, Erfahrungen und Erwartungen, seinen Gedanken zum Alter und zum Altern, aber auch zu Themen wie Nationalsozialismus, vereinigtes Europa, Homosexualität oder Feminismus berichtet - aufrüttelnde und ermutigende Gedanken für jeden, der alt ist oder es werden möchte. Halhubers klarer Blick auf persönlich Erlebtes, auf Wahrnehmungen und Gelesenes, die Prägnanz seines Ausdrucks und seiner Beurteilungen und vor allem auch die Klugheit, die Weisheit und die Liebe zu den Menschen, die aus seinen Zeilen spricht, sind höchst beeindruckend. Zur Biografie Max-Joseph Halhubers: MaxJoseph Halhuber, geboren 1916 in Innsbruck, promovierte 1940 zum Dr.med. Von 1940 bis 1945 war er als Militärarzt tätig und anschließend bis 1967 Oberarzt an der Universitätsklinik Innsbruck. Danach war er bis 1981 ärztlicher Direktor der Klinik Höhenried für HerzKreislaufKrankheiten bei München, wo er die kardiologische Rehabilitation revolutionierte. Schließlich wurde er Professor für Innere Medizin an der Universität Innsbruck und an der Technischen Universität München. Von 1944 bis 1970 war er mit Marlene, geb. Ahlmann, verheiratet, die aus ihrer ersten Ehe mit Rudolf Oetker die Tochter Rosely mitgebracht hat. Sie bekamen drei weitere Töchter und zwei Söhne. 1970 heiratete er die verwitwete Carola Branovic, geb. Malten, die drei Töchter und zwei Söhne in diese Ehe mitbrachte. Max-Joseph Halhuber lebt heute im Ruhestand in Deutschland und Österreich. Seine Familie ist nach englischem Sprachgebrauch als Patchwork-Family zu bezeichnen, Halhuber selbst gefällt aber die bayrisch-österreichische Benennung als Fleckerlteppich-Familie viel besser. Von meinen biologischen und sozialen Nachkommen werde ich gleich gut verwöhnt, so Halhuber. Aus dem Inhalt: Vorwort: Mein Vater - wie er das Leben nimmt von Aline Halhuber-Ahlmann Warum ich diese sehr subjektive Niederschrift von Beobachtungen und Erinnerungen wage Wie ich meinen derzeitigen Gesundheitszustand sehe Wie ich geistig meinen Alltag bewältige Warum ich heute über den Umgang mit Sexualität anders denke als vor 70 Jahren Ein Schlüsselerlebnis im Kriegsjahr 1941, in dem mir die Wirkung von Hitler auf viele Menschen erkennbar, nicht aber begreifbar geworden ist (.) Textprobe: 2. Mai 1938 in Innsbruck: Nachdem ich mit vielen anderen Kommilitonen anlässlich der 50-jährigen Erneuerung ihres Doktor-Diploms 1990 vom Universitätsarchiv aufgefordert worden bin, unsere Erinnerungen an die Innsbrucker Studentenzeit niederzuschreiben und dem Universitätsarchiv zur Verfügung zu stellen, wählte ich jenen Tag in meiner Studentenzeit aus, an dem die Professoren der Medizinischen Fakultät ihre Antrittsvorlesung im großdeutschen Reich gehalten haben. Der Tag ist mir auch deshalb noch genau in Erinnerung, weil am selben Tag Adolf Hitler durch Nord- und Südtirol nach Rom fuhr (mit verhängten Salonwagenfenstern, in Südtirol), und einer der Professoren, Prof. Scharfetter, indirekt auf diese Zusammenhänge Bezug genommen hat. Es gab kaum einen Tag in meiner Studentenzeit, an dem ich so fleißig Vorlesungen besucht habe, als jenen Tag, denn ich wollte erleben, wie meine Lehrer sich auf die neue Situation einzustellen versuchten. Ich glaube, dass ich mich relativ genau an einige Einzelheiten erinnere, aber kann natürlich nicht garantieren, dass ich nicht mancher Erinnerungstäuschung erliege. Die erste Vorlesung war von 8.00 bis 9.00 Uhr, die Vorlesung über Innere Medizin, die der damalige Vorstand der Medizinischen Klinik, Prof. Steyrer mit folgenden Worten begann: Wenn Sie sich den, der da oben hängt (er zeigte auf das Bild des Reichskanzlers und Führers Adolf Hitler im Hörsaal) und seine Einstellung zum Engagement zum Vorbild nehmen, dann lege ich beruhigt mein Haupt in den Ruhestand, der mir nun blüht. Diese Einleitung war der einzige Bezug auf die politische Bedeutung des Tages und hat mich deshalb sehr beeindruckt, weil der Dozierende in keiner Weise seine wahrscheinlich gegnerische Einstellung verraten hat. In der Vorlesung über Pathologie trat Prof. Lang in einer völlig neuen, wohl vor kurzem erst fertig gestellten Uniform als politischer Amtswalter auf. Dazu muss gesagt werden, dass Prof. Lang auch in der so genannten Systemzeit, also vor dem März 1938, Dekan war und deshalb sicher in seiner Position besonders gefährdet schien. Er begann seine Vorlesung mit den Worten: Das Geschehen im deutschen Volk ist mit einer Entzündung zu vergleichen: nämlich Abwehr des Schadens. Allein dieser Satz ist mir wörtlich in Erinnerung geblieben, alle weiteren Sätze waren nur Zitate aus dem Deutschen Ärzteblatt und deshalb langweilig und nicht erinnernswert. Die Vorlesung von Prof. Breitner im Chirurgiehörsaal war dadurch besonders gekennzeichnet, dass in der ersten Sitzreihe mehrere Figuren in SS-Uniform saßen. Prof. Breitner kam wie immer im weißen Mantel, unter dem er nicht immer ein Hemd trug, und schien uns dadurch beweisen zu wollen, dass er innerlich und äußerlich unabhängig war. Er berichtete von einem Unfallchirurgen-Kongress in Budapest und unterstrich, dass bei der Heilung von Krankheiten und Unfallverletzungsfolgen die ökonomische Situation der Betroffenen eine wesentliche Rolle spiele. Gerade diese ökonomischen Bedingungen würden ja nun auch bei uns wohl besser werden. In die Vorlesung meines Anatomielehrers, Prof. Sieglbauer, eilte ich deshalb besonders neugierig, weil ich wusste, dass er vor dem März 1938 eine wohl aufgezwungene Rolle in der vaterländischen Front spielen musste. Aus seinen einleitenden Worten ist mir in Erinnerung, dass er von dem österreichischen Spruch: Laß andere Krieg führen, du glückliches Österreich heirate nicht viel halte, denn Sperma sei ein schlechter Kitt für Staaten. Ein Stockwerk höher begann der Histologe und Embryologe Prof. Mathies, der illegal Parteimitglied gewesen war, seine Vorlesung mit den Worten: Ich schätze mich glücklich, dass ich meine Vorlesung nicht so beginnen muss, wie der da unten, und er zeigte auf das Stockwerk unter ihm, nämlich das anatomische Institut, und betonte gleich einleitend, dass es zwecklos sei, bei ihm in Uniform zur Prüfung anzutreten, weil er ein Anhänger des Leistungsprinzips wäre. Ich war damals am histologischen Institut bei Prof. Mathies auf Grund eines besonders guten Prüfungsergebnisses in Histologie und Embryologie Demonstrator. Ich erinnere mich, dass ich mich schon bald nach dem Anschluss bei ihm wegen meiner gegnerischen politischen Einstellung verabschieden wollte. Er sagte damals zu mir: Halhuber, ich werde Sie nicht halten können, aber wir Nationalen müssen jetzt so lange feiern, dass irgend einer im Institut die wissenschaftliche Fahne hochhalten muss. Sie müssen also bis Anfang Mai die Ratten füttern und das Mikrotom bedienen. Als ich im November 45 nach Kriegsende Prof. Mathies zufällig auf der Straße begegnete, ihn freudig begrüßte und sagte: Wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen bestätigt, dass Sie sich im Jahr 38 zu politischen Gegnern anständig verhalten haben, so verfügen Sie über mich. Er sagte damals: Ich bin gerade auf dem Weg zum Arbeitsamt, weil meine neuen Kollegen, die Masseure, mir Schwierigkeiten in meiner neuen Berufsausübung machen wollen.

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