Beschreibung
In der Arbeit Burgbergstraße beschäftigt sich Wolfram Hahn mit der Geschichte der Gebäude und den Bewohnerinnen und Bewohnern der Burgbergstraße in Crailsheim. Die Straße führt durch einen ehemaligen Fliegerhorst, der 1936 für die Wehrmacht errichtet wurde. Seitdem wurde das Areal für verschiedene militärische und zivile Zwecke genutzt: Die US-Streitkräfte errichteten Kasernen, die ihr bis 1994 als Standort dienten, und die Bundeswehr legte ein Gerätedepot an. Kurz nach dem Krieg entstand ein erstes Lager für «displaced persons», bis heute befinden sich hier Geflüchtetenunterkünfte sowie günstiger Wohnraum für bedürftige Menschen.
Wolfram Hahn weist mit seiner Serie, die zwischen 2017 und 2019 entstanden ist, auf die Kontinuitäten dieser Nutzungen hin, indem er seine eigenen Fotografien mit privaten Aufnahmen aus Familienalben und Archiven sowie historischem Material wie Karten und Zeitungsartikel kombiniert. Es entsteht ein Kaleidoskop von Eindrücken: Außenaufnahmen der Gebäude wechseln sich mit Porträts heutiger Bewohnerinnen und Bewohner ab, eine Familie posiert in Schwarz-Weiß vor einem Getreidefeld, in einem Flur hängt ein Puzzlebild mit Tiger an der Wand. Einrichtung und Architektur erscheinen karg und unpersönlich – hier wird kein Zuhause, sondern ein Durchgangsort festgehalten. Durch die Entscheidung, vermehrt Einzelporträts zu machen, unterstreicht Hahn den Eindruck der Isolation und unterläuft diesen gleichzeitig, wenn er sie um Fotos der Gemeinschaft am Lagerfeuer und lächelnde Gesichter ergänzt. Er hält eine doppelte Ambivalenz fest: Die Bewohnerinnen und Bewohner richten sich ein und befinden sich doch nur in einem Provisorium, man lebt am Rand der Gesellschaft, aber dennoch in Gemeinschaft. Hahn ist es gelungen, Zugang zu dieser fragilen Gemeinschaft zu bekommen und die Gleichzeitigkeit widerstrebender Eindrücke einzufangen.