Beschreibung
Die gegenwärtig breite Debatte um Ethik in der Medizin und Bioethik behandelt ein Spektrum konkreter Probleme zwischen Anfang und Ende des menschlichen Lebens. Selten hingegen fragt sie nach den ethischen Herausforderungen des Arztberufs. Gibt es ein dem Arztberuf als solchem eingeschriebenes Berufsethos? Statt auf Patientenzuwendung ist gegenwärtig die öffentliche Diskussion einseitig auf ökonomische Orientierung und Reform ausgerichtet.
Ökonomische Zwänge hat es in der Medizin immer gegeben. Über Jahrhunderte erfreuten sich gleichwohl die Ärzte eines hohen Masses beruflicher Unabhängigkeit. Die Freiheit verdankten sie ihrem öffentlichen Ansehen und das Ansehen dem anspruchsvollen Standesethos.
Berufsbedingte Einflussnahmen auf den einzelnen Arzt (Qualitätssicherung) sind heute oft schwer zu unterscheiden von gesellschaftlich-politischen Einmischungen in seine Tätigkeit. Sie bedrängen nicht selten das ärztliche Gewissen. Subjekt medizinischer Ethik ist heute immer weniger der Arzt und immer mehr die Gesellschaft. Vom Arzt erwartet sie zunehmend bloss bioethische "Dienstleistung".
Die "Befreiung" der Ärzte von ethischen Bindungen bezahlt die Ärzteschaft mit der Unterwerfung unter die Politik. Ethische Selbstverpflichtung des einzelnen Arztes garantiert nicht Berufsfreiheit. Steht aber die Ärzteschaft als ganze treu zu ihrem Ethos, muss die Politik sich mit ihr arrangieren.