Beschreibung
Dreißig Jahre nach den drei Grenzöffnungen im Raum Waldmünchen ist es an der Zeit, Rückschau zu halten und das Ganze gedanklich noch einmal Revue passieren zu lassen. Man sollte vielleicht auch abwägen, ob sich die Befürchtungen bewahrheitet haben oder aber, ob alles ganz anders gekommen ist. Auch ein weiter Blick zurück in der Orts- und Grenzgeschichte ist hier angebracht, denn Waldmünchen war schon immer ein Grenzort mit all seinen Schwierigkeiten, die so eine Lage mit sich bringt. Die schlimmste Zeit müsste zwischen 1945 und 1990 anzusehen sein, wo die Landes- bzw. Bundesgrenze so hermetisch abgeriegelt war, dass man ohne Vorbehalte vom "Eisernen Vorhang" sprach. Man konnte in der Zeit nur mit einem Visum, das selbstverständlich vorher beantragt werden musste, in das Nachbarland reisen. Es musste ein täglicher Zwangsumtausch geleistet werden und man durfte nur in bestimmte erlaubte Bezirke des Landes einreisen. Auch konnten ganz spezielle Gebrauchs- oder Verbrauchsartikel oder Waren, die fein aufgelistet waren, nicht außer Landes gebracht werden. Für Leute der jüngeren Generation eigentlich unvorstellbar. Noch dazu, wenn man ihnen erzählt, dass entlang der Grenze ein ziemlich unangenehmer unmenschlicher Sperrgürtel aufgebaut war, der schier undurchdringlich schien, da er zusätzlich noch von Soldaten bewacht wurde. Es waren durchgehend doppelte Drahtzäune entlang der 356 km langen gesamten Grenze zwischen Bayern und der Tschechoslowakischen Republik gezogen. Dazwischen lag ein etwa sechs Meter breiter Sicherungsstreifen, der wöchentlich einmal geeggt wurde, damit man eventuelle Fußabdrücke von Flüchtlingen sofort erkennen konnte. Und es standen außerdem zahlreiche, mehr als neun Meter hohe Wachtürme aus Stahl entlang des Absperrzaunes, die jeweils mit zwei Soldaten besetzt waren. Also eine abgeriegelte Grenze, wie man sie sich heute nicht mehr vorstellen kann. Ich war mehr als dreizehn Jahre als Grenzaufsichtsbeamter der Bundeszollverwaltung im Grenzbereich Waldmünchen (Grenzabschnitt VII von Charlottenthal bis Grenzabschnitt VIII = Dreiwappen - insgesamt 23 km) tätig. In dieser Funktion kamen meine Kollegen und ich fast täglich zum "Höller Berg", um mit dem Fernglas nach Tschechien zu schauen und dienstliche Meldungen machen zu können. Das böhmische Grenzdorf Wassersuppen schien für uns unerreichbar, obwohl wir die Wohnblöcke und die Bergkirche ohne Probleme sehen konnten; aber wir wussten um die politischen Verhältnisse; niemals in diesem Leben glaubten wir, dass sich hier etwas an der Situation ändern würde. Und dann ging alles wider Erwarten so schnell und ohne große Gewalt, d. h. es kam Gott sei Dank niemand zu Tode. Ich bin überaus dankbar und glücklich, dass ich an allen drei Grenzöffnungen im Raum Waldmünchen teilnehmen konnte und durfte; es war für mich persönlich als heimatverbundener Mensch ein unvergessliches und einmaliges Erlebnis. Ich habe damals in weiser Voraussicht zahlreiche Fotos gemacht und alle Dokumente in Wort und Bild archiviert, sodass ich sie heute ohne Probleme für diese Publikation verwenden kann.