Beschreibung
Gabriel Angler, geboren um 1410, war Münchner Stadtmaler. Weil das von ihm von 1434 bis 1437 gefertigte Hochaltarretabel der Münchner Marienkirche, das teuerste Altarwerk seiner Zeit, verschwunden ist, blieb sein Name bis heute relativ unbekannt. Erhalten sind allerdings seine Retabel für die Tegernseer Klosterkirche. Damit besitzen wir wenigstens ein gut gesichertes Fundamentalwerk der Münchner Malerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das die Bedeutung dieses nahezu vollständig verlorengegangenen Kunstkreises aufzeigt.
Zwei Retabel sind es, die Angler für Tegernsee geschaffen hat: die monumentale Tabula Magna (1444/45) und die en grisaille gemalte Lettnerkreuzigung (um 1440). Beide waren in den Jahrhunderten nach ihrer Aufstellung überarbeitet, zerteilt und disloziert worden. Somit ist es besonders wichtig, das Augenmerk auf die technischen Aspekte zu legen, um einen geistigen Gesamtzusammenhang wiederzugewinnen. dabei erweisen sich beide Retabel in ihrer Konzeption als äußerst widersprüchlich: vom Aufbau her sehr traditionell, in der Malweise und Anlage der Bilder aber als das modernste, was es in Süddeutschland zu sehen gab. Wie geschickt die Retabel auch in den Gesamtkontext des Kirchenraums und der Liturgie eingebunden waren, ist für Tegernsee schlüssig dokumentiert. Just in jenen Jahren erlangte Tegernsee unter Abt Aindorffer seine Führungsrolle unter den süddeutschen Klöstern zurück, und da die personelle Spitze des Konvents zu den politisch und geistesgeschichtlich führenden Größen gehörte, ist auch die Betrachtung der Auftraggeberseite ein wichtiger Punkt. Der hohe Anspruch des Klosters wurde eben nicht nur durch finanzielle und personelle Maßnahmen, sondern auch durch die benediktinische Reform, die von Wien und Melk ausging, getragen.
Neben diesem wichtigen Hintergrund darf der Künstler aber nicht vergessen werden, denn die Entscheidung der Auftraggeber, ihre wichtigsten Retabel von Gabriel Angler anfertigen zu lassen, zeugt auch von der Bedeutung des Münchner Stadtmalers. Dieser erreichte seine Führungsrolle in der oberbayerischen Herzogsstadt ähnlich schnell wie Hans Multscher in Ulm oder Stephan Lochner in Köln. Wann er starb, ist unbekannt. Der starke Einfluß der niederländischen Kunst ließen ihn bald in Vergessenheit geraten, obwohl sein erzählerisches Talent für Dramatik und Drastik mitbestimmend war für die Malerei der zweiten Jahrhunderthälfte in Oberbayern.