Beschreibung
Diese Biographie beschreibt das Leben des letzten Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha, Carl Eduard, Enkel der legendären Queen Victoria von Großbritannien. Es zeigt ihn als Oberhaupt der Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha, als frühen Förderer der Luftfahrt und des Kraftverkehrs, des Wintersports und der Denkmalpflege, aber auch als strikten Gegner der Weimarer Republik. Als einziger der im Jahre 1918 abgesetzten deutschen Bundesfürsten engagierte er sich politisch und ist das erste Mitglied des Hochadels, das Adolf Hitler und die NSDAP aktiv unterstützt.
Die Heimatstadt Carl Eduards, Coburg, wird die erste nationalsozialistisch regierte Stadt Deutschlands. Das Regime honoriert sein Engagement mit der Ernennung zum Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, zum SA- und NSKK-Obergruppenführer und zahlreichen anderen Auszeichnungen. Mehrfach ist Carl Eduard als Sonderbeauftragter der Reichsregierung im Ausland unterwegs. Sein Spruchkammerverfahren nach dem Krieg wirft ein Licht auf die damalige Praxis im Umgang mit hohen Parteifunktionären. Das Buch geht auch auf die Verhältnisse Hitlers zum deutschen Hochadel und zur Stadt Coburg mit seiner Sonderstellung im Dritten Reich ein.
Die bis heute verschwiegene - da historisch problematische - Vergangenheit des letzten regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha wird hier erstmals detailliert mit größtenteils unbekannten Daten offen gelegt. Zeitzeugenaussagen geben einen Einblick in das Privatleben. In geradezu kriminalistischer Kleinarbeit wurden Rätsel um Carl Eduards Person gelüftet und die Kluft zwischen Legende und Wirklichkeit geschlossen. 389 bisher zumeist unveröffentlichte Abbildungen runden das Werk ab.
Rezension
Der Rezensent, Historiker im Sinne seiner universitären Studien, begegnete in seinem Leben zu oft Biographien hagiographischen Charakters, auf deren Seiten die Wahrhaftigkeit der historischen Persönlichkeit der Einseitigkeit des Lobes erlag.
Mit seinem opulenten Werk »Hitlers Herzog. Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha. Die Biographie« hat der Autor, Harald Sandner aus Coburg, ein Werk vorgelegt, das dem Lebensweg des letzten Ernestiners und mit ihm dem Tiefpunkt dieses Fürstengeschlechts gewidmet ist.
Eine entspannte Lektüre im Ohrensessel ist dieser Band nicht, und das hat zwei Gründe: Die 558 Seiten kommen auf einem sehr guten Papier daher, welches die vielen historischen Fotos zu einer visuell präzisen und zunehmend bedrückenden Zeitreise werden lässt, und insofern ist der Band ein wahres Schwergewicht. Zum anderen ist der Weg eines Enkels von Queen Victoria von den Tagen des Kaiserreiches bis in den kriegerischen braunen Abgrund des sogenannten Dritten Reiches beklemmend.
Harald Sandner legt viele Facetten dieser Persönlichkeit dar und lässt deutlich werden, wie dieses Kind großer englischer Schulen und aufgewachsen in einer der ältesten Demokratie hinabsteigt in die Dunkelheit des Faschismus. Dabei ist die Ausgewogenheit des Urteils unter Einbeziehung der ganzen Geschichte ein wohltuender Vektor der Biographie.
Der Rezensent, in seiner Jugend historische deformiert durch die einseitige marxistisch-leninistische Historiographie, goutiert die Sorgfalt, mit der der Autor die Rolle der Sozialdemokratie in Gotha detailliert, die sich dem Herzog oft entgegenstellte und letztlich auch zur Enteignung des Gothaer Schlosses im Gefolge der Novemberrevolution beitrug. Auch ein anderer Aspekt findet eine lokale Präzisierung - die Fürstenentschädigung, eingebettet in die Realität des Rechtsstaates Weimarer Republik. Diese differenzierte Sichtweise lässt Sandner auch der Nachkriegszeit angedeihen und beleuchtet den tatsächlichen - und in der einstigen ostdeutschen Heimat des Rezensenten klassenkämpferisch verleugneten - Willen der amerikanischen Besatzungsmacht und auch der Sozialdemokratie zur Entnazifizierung Deutschlands. Dass jedoch eine innere Aussöhnung zum demokratischen Neubeginn gehörte, demonstriert der Autor mit den letzten juristischen Auseinandersetzungen um Hitlers Herzog, nun nur noch im fränkischen Coburg.
Die sorgfältig zusammengestellte Bibliographie am Ende des Werkes gleicht das Fehlen der Anmerkungen im Textverlauf aus. Aber vielleicht wollte der Autor auch die Rezeption des Lesestoffes nicht durch die endlosen Nummern der Verweise erleichtern.
In der letzten Zeit, in seiner Heimat wie in Deutschland, meint der Rezensent, ist diese Biographie noch schwergewichtiger geworden und denkt dabei an den Satz Julius Fu?ik, geschrieben vor seiner Hinrichtung durch die Nazis, denen der Herzog ja Herz und Verstand gewidmet hatte: »Lidé, m?l jsem vás rád Bd?te!«, »Menschen, ich hatte euch lieb. Seid wachsam!« (Reportáž psaná na oprátce)
Quelle: Didier Scheibe-Bauziere, 23.08.2024