Beschreibung
Der Roman stellt einen der ersten Versuche dar, über das in Deutschland wie in Israel bis dahin weithin verdrängte Thema der seelischen Verwüstungen zu schreiben, die das Leben zahlreicher Exilanten und Überlebender der Shoa prägten. Der Wartesaal, Aufenthaltsort für seelisch und geistig Kranke, zeigt deren Hoffnungslosigkeit, Heimatlosigkeit, Angst, Wahnvorstellungen. Die Insassin, die den Roman als Ich-Erzählerin niederschreibt, eine ältere Jüdin, schildert ihrer imaginierten Tochter den Alltag in der Anstalt und verschiedene Patientinnen, nicht selten karikierend, grotesk, mit absurden Details. Schließlich erzählt sie ihre eigene Lebensgeschichte, den Grund ihrer Traumatisierungen: den Konflikt mit der jüdischen Mutter, die Anpassung an das nationalsozialistische Regime, den Verrat an den Eltern, ihren Gang durch die Todeslager. Die gesamte Niederschrift ist geprägt von Angstvisionen, Verfolgungswahn, Schuldgefühlen. Die davon bestimmte Sicht der Umwelt, die Auflösung der Kategorien von Raum, Zeit und Kausalität, greift über in die Sprache und Struktur des Erzählens.
Autorenportrait
Jenny Aloni (1917-93), geborene Rosenbaum, lebte bis 1935 in Paderborn. Danach arbeitete sie in jüdischen Organisationen, vor allem in Berlin. 1939 gelang ihr die Auswanderung nach Palästina. Bereits in Deutschland hatte sie zu schreiben begonnen. 1956 erschien ein erster Band Gedichte. In den sechziger Jahren folgten zahlreiche Erzählungen und drei Romane (Zypressen zerbrechen nicht, 1961; Der blühende Busch, 1964; Der Wartesaal, 1969). Diese schilderten weitgehend den Alltag in ihrer neuen Heimat, deren Gegenwart und Geschichte. Damit galt Jenny Aloni als wichtigste deutschsprachige Schriftstellerin ihrer Generation in Israel. 1990-1997 erschienen ihre Gesammelten Werke 2004 ihre Tagebücher 1935-93.