Beschreibung
Nicht wenige Fragen gibt es, über die ihre wahre Ansicht zu sagen fast alle mit Rücksicht auf die Folgen sich selbst verbieten. Rasch verselbständigt sich solche Rücksicht zu einer inneren Zensurinstanz, die schließlich nicht nur die Äußerung unbequemer Gedanken, sondern diese selbst verhindert. Theodor W. Adorno, Auf die Frage: Was ist deutsch? Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015, so die Diagnose des syrischen Migranten Bassam Tibi, ist die Warnung seines Lehrers Adorno vor innerer Zensur in Deutschland beklagenswerte Wahrheit geworden. Vor nicht allzu langer Zeit war Bassam Tibi in deutschen Medien noch nahezu omnipräsent – von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Spiegel, Süddeutsche Zeitung und Welt bis hin zum ZDF, für das er von 1990 bis 2001 als Islam- und Nahostexperte arbeitete; nun wurde er mit seinen kritischen Analysen zur islamischen Welt und den gegenwärtigen Migrationsbewegungen zum Stammautor in Schweizer Zeitungen, nämlich der Basler sowie der Neuen Zürcher Zeitung, für die er gegenwärtig schreibt. Der vorliegende Band versammelt Tibis analytisch scharfe, ungeschminkte Analysen, die von Juli 2016 bis August 2018 in der Basler Zeitung erschienen sind, erstmals in ungekürzter Fassung. Die Beiträge sind, mit Einführungen versehen, thematisch gruppiert und werden flankiert von einer Einleitung sowie einem ausführlichen Interview mit Bassam Tibi. Tibi betrachtet länderübergreifend die Geschehnisse in der islamischen Welt: Die Wanderungsbewegungen nach Europa, den nach Europa zugewanderten Antisemitismus, die Entwicklung der islamischen Minderheiten, beispielsweise in Indien seit Abspaltung Pakistans, die Hintergründe des Iran-Deals von 2015 – und was aktuell in der Türkei und in Syrien passiert. Benedict Neff, politischer Deutschland-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, steuert ein sehr persönliches Geleitwort bei.
Autorenportrait
Bassam Tibi, Jahrgang 1944, wuchs in Damaskus auf und kam 1962 nach Deutschland, wo er Sozialwissenschaft, Philosophie und Geschichte studierte – unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Mit 28 Jahren wurde er zum Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen berufen. Tibi lehrte und forschte auf allen fünf Kontinenten, u.a. an den Universitäten Harvard, Cornell, Berkeley und Yale sowie in Dakar, Yaoundé, Khartum, Jakarta, Singapur und zuletzt 2016 an der American University of Cairo. 2016 wurde er in den Senat der von Helmut Schmidt ins Leben gerufenen Deutschen Nationalstiftung gewählt. 1995 wurde ihm von Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Förderung eines besseren Verständnisses des Islam verliehen.
Rezension
"Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi provoziert. [...] Tibis Analysen und Thesen werden gerne vom rechten politischen Spektrum instrumentalisiert; eine solche Lesart wird dem Politologen aber nicht gerecht. Er sagt durchaus Bedenkenswertes über die deutschen Integrationsdefizite."–Cellesche Zeitung, 11. Juni 2019