Beschreibung
Messung ist niemals neutral. Äquivalenzbildungsprozesse waren jedoch Gegenstand avancierter historischer Debatten. Der unscheinbare Metallkörper des Urkilogramms in Paris entfaltete im späten 19. Jahrhundert eine fast unsichtbare Weltgeltung. Was aber bewirkt dieses imposante Gebäude einer metrischen Infrastruktur, etwa in den deutschen Kolonien im Pazifik? Entschlüsselt man den konkreten Gebrauch der Maße, so führt der Weg oft in den Bereich des Tausches. Während aber dem Geld bereits zahlreiche Studien gewidmet wurden, so steht eine Analyse der Metrologie noch aus. Dabei sind es gerade die Geistes-, Sozial- und Kolonialwissenschaften dieser Zeit, die entscheidende Bausteine für das Verständnis von Quantifizierungsregimen liefern. Die Rechtsgeschichte diskutiert beispielsweise die Bedeutung dichter und relationaler Maße in Agrargesellschaften. Die Altertumswissenschaften untersuchen die Rolle von Messung in der Haushaltung. Die kolonialen Verwaltungswissenschaften stoßen auf Naturalwährungen, die politische Prozesse quantifizieren, und verdrängen systematisch existierende Standards. Die Wirtschaftswissenschaften hingegen verhandeln Naturaltausch während der Kriege neu, während die Versorgung in Europa fast flächendeckend den Metriken der Rationierung anvertraut worden war.
Autorenportrait
Anna Echterhölter, geb. 1973, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft der HU Berlin sowie am Exzellenzcluster TOPOI. Studium der Physik, Literatur- und Kulturwissenschaft in Berlin und London. 2009 Mitgründung der Zeitschrift »ilinx - Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft« und der Buchreihe »ilinx-Kollaborationen«. Veröffentlichungen: »Jenseits des Geldes. Aporien der Rationierung« (mit Hendrik Blumentrath, Frederike Felcht und Karin Harrasser; 2019), Mithg. der Zeitschrift »Science in Context«. Im Wallstein-Verlag erschien bisher »Schattengefechte. Genealogische Praktiken in Nachrufen auf Naturwissenschaftler (1710-1860)«.