Beschreibung
«Warum wollen wir die Weisheit Christi lieber aus Schriften von Menschen kennen lernen als aus Christus selbst? Was dieser versprochen hat, dass er mit uns sein werde bis ans Ende der Zeiten, löst er vor allem in seinen Schriften ein, in denen er für uns auch heute noch lebt, atmet, spricht, beinahe hätte ich gesagt, wirkungsvoller als damals, als er unter den Menschen weilte.» (Erasmus von Rotterdam, Paraclesis)
Vor 500 Jahren, im März 1516, erschien in Basel eines der Bücher, welche die Welt veränderten – oder zumindest dazu beitrugen, sie zu verändern. Unter dem Titel Novum Instrumentum publizierte Erasmus von Rotterdam eine Edition des Neuen Testaments. Seine Gegner bezeichneten das Werk als Trojanisches Pferd, dem eine Horde von Häretikern entstiegen sei, oder als Ei, das Martin Luther dann ausgebrütet habe. Erasmus’ Arbeit brachte nicht die Autorität der Bibel ins Wanken, wohl aber diejenige der Kirche. Vor allem Universitätstheologen und Mönche sahen ihre Position in Gefahr und wehrten sich – mit Erfolg: 1559 wurde das Gesamtwerk des Erasmus im Index librorum prohibitorum der katholischen Kirche verboten.
Im Zentrum seiner Ausgabe stand für Erasmus die Überarbeitung der damals gültigen lateinischen Übersetzung des Neuen Testaments. Er verbesserte die Vulgata nach dem griechischen Originaltext, den er neben die Übersetzung stellte und so erstmals im Druck publizierte. In ausführlichen Anmerkungen begründete er seine Änderungen am Vulgata-Text. Die Motivation und die Zielsetzung seines Unterfangens legte er in drei Einleitungsschriften dar, in denen er auch eine Reform der Theologenausbildung anmahnte, weg von der scholastischen Methode, hin zu einer auf die Kenntnis der drei biblischen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Lateinisch gestützten Theologie. Dem Studium des Neuen Testaments mass Erasmus deshalb so grosse Bedeutung bei, weil er überzeugt war, dass jenes ein besseres Bild Christi vermittle als die Schriften der Theologen, wie das vorangestellte Zitat aus der Paraclesis, einer Einleitungsschrift zum Novum Instrumentum, verdeutlicht.
Autorenportrait
Ueli Dill ist Leiter der Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Universitätsbibliothek Basel.
Petra Schierl ist Privatdozentin für Klassische Philologie an der Universität Basel.
Rezension
Erasmus’ epochemachende Ausgabe des Neuen Testaments wird 500 Jahre alt!
Inhalt
Einleitung
1. Die Geschichte der lateinischen Übersetzung des Neuen Testaments
2. Die Humanisten und die Bibel
3. Johannes Froben als humanistischer Drucker
4. Das Novum Instrumentum von 1516
5. Der griechische Text: ‹Basler› Handschriften als Vorlagen
6. Die lateinische Übersetzung: Erasmus’ Revision der Vulgata
7. Die Annotationes: Das Neue Testament als ‹work in progress›
8. Die Ausgaben von 1519 bis 1535: Vom Novum Instrumentum zum Novum Testamentum
9. Die Wirkungsabsicht des Erasmus: Paraclesis, Methodus und Apologia
10. Erasmus’ Neues Testament und die reformatorische Bewegung
11. Kontroversen: Erasmus verteidigt seine Ausgabe
12. Erasmus’ Neues Testament und die römische Kirche
13. Der griechische Text des Neuen Testaments von Erasmus bis heute