Beschreibung
Nordhausen am Harz in der Goldenen Aue, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Osternacht. Ein Mädchen wird von einem amerikanischen Bomberpiloten verbrannt. Seine Knochen graben sich tief in die verletzte Erde. Im Frühjahr 1953 wird über ihnen ein neues Haus gebaut. Dort wird nicht viel später wieder ein Mädchen leben, mit ihrer Familie. Die beiden, eines im anderen wiedergeboren, treffen sich. Im Keller. Das Mädchen, hellsichtig, mit den Toten und Lebenden verbunden, macht sich auf den Weg durch ein verwundetes Land. Wüst, öde, zerstört. Es schlägt sich durch Wälder, in denen grausame Götter hausen, befreit Kinder aus der Gewalt eines Systems, verbindet sich mit Tieren und Elementen. Ein Gebirge, zerklüftet und finster, Bergwerke und Kombinate, Polikliniken und Schulen, Kirchen und Kinderlager werden zu Schauplätzen, in denen Gesetze regieren, die fremd und mächtig sind. Bei jedem Schritt stößt das Mädchen auf die Schrecken eines blutigen Jahrhunderts. Um diesen Schrecken zu bändigen, sieht es ihm ins Auge. Die Welt, die das Mädchen durchstreift, genügt nicht. Sie muss noch einmal erschaffen werden. In der Nordhäuser Gegend am Harz hilft die Geistin einem müden Gott, das Gefühl der Sinnlosigkeit seiner Schöpfung zu überwinden. Gemeinsam gehen sie erneut ans Werk. Während das Mädchen sich immer konkreter und fantasierend zugleich in die Realität erzählt. So, wie es die Welt erlebt und sein eigenes Leben darin sucht, erschafft es eine Saga. Auf seiner Reise durch die kollektive Geschichte und die eigene Gegenwart, durch Erinnerungsbilder und Bewusstseinsräume, befragt das Mädchen die Gewissheiten des Lebens: Familie, Religion, Staat, Gesellschaft. Unablässig stößt es auf Grenzen. Die seines Landes, seiner Familie, die eigenen. Es will sie überspringen. Getrieben von einer brennenden Sehnsucht. Es will frei sein. Gott stirbt lächelnd. Die Geistin träumt seinen Traum. Den ganzen Schrecken noch einmal vor Augen. Die Mauer fällt. Das Mädchen legt die Hand auf seinen Bauch. In ihm entsteht ein neues Leben. Keller ist ein Plädoyer für Liebe und Menschlichkeit.
Autorenportrait
Christina Friedrich. Die Regisseurin, Produzentin und Schriftstellerin Christina Friedrich, geboren 1965 in Nordhausen, ist eine Chronistin gesellschaftlicher Bewusstseinsströmungen, die sie in vielgestaltige künstlerische Ausdrucksformen übersetzt. Nach einer Ausbildung zur Facharbeiterin für Hydrogeologie absolvierte sie ein Regiestudium an der Hochschule für Schauspielkunst 'Ernst Busch', Berlin, erhielt sogleich ein Engagement als Hausregisseurin an das Theater Bremen und arbeitete im Anschluss als freie Regisseurin u. a. am Deutschen Nationaltheater Weimar, am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Bonn, am Deutschen Theater Göttingen, am Luzerner Theater, am Mozarteum Salzburg, an der Philharmonie Berlin und dem Maxim Gorki Theater Berlin. Christina Friedrich lehrte als Professorin für Regie und Schauspiel an der Hochschule für Schauspielkunst 'Ernst Busch', Berlin, als Dozentin für Regie und Schauspiel an internationalen Theaterakademien und Hochschulen u. a. in Aix-en-Provence, Warschau, Zürich, Tel Aviv und am Matsumoto Performing Arts Center, Japan. Ihr internationales Rechercheprojekt KEEP ME IN MIND führt sie nach Israel, Kanada, Litauen, Polen und Frankreich. Was ihre theatralen, filmischen und literarischen Arbeiten verbindet, ist eine archäologische Spurensuche nach den durch kulturelle, ideologische und soziale Erosionen verschütteten Wurzeln unseres Verständnisses von Menschsein und Gemeinschaft. Ihre Versuche, Momente des Schweigens, der Verdrängung und der Unsichtbarkeit zur Sprache zu bringen, ziehen sich als roter Faden durch ihr gesamtes künstlerisches Werk. Ihr Debütroman Morgen muss ich fort von hier erschien 2008im Verlag C. H. Beck. Mit KEEP ME IN MIND, 2019, produzierte sie mit MADONNENWERK ihren ersten Film. 2020 folgte der Spielfilm HURENSÖHNE - EIN REQUIEM. Christina Friedrich lebt in Berlin und in Limlingerode im Harz.