Beschreibung
Essen und Moral sind seit jeher miteinander verwoben: Bereits im antiken Griechenland, ebenso im alten Rom und bei den frühen Christen beschäftigte man sich mit den ethisch relevanten Aspekten des Essens. Die Untersuchung von ernährungskulturellen und ernährungsethischen Fragen hat eine lange Tradition, tatsächlicher Gegenstand der angewandten Ethik wurden Lebensmittel jedoch erst Mitte der 1990er Jahre. Zwar sind die Zeiten eines täglichen Kampfes ums Überleben zumindest in unseren Breiten für die meisten Menschen vorbei; die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung jedoch weiß morgens häufig nicht, ob es überhaupt etwas zu essen geben wird. In den Industrienationen sind Lebensmittel jederzeit in beliebiger Menge verfügbar. Doch mit zunehmender Globalisierung, Technisierung, Spezialisierung und Zentralisierung wird das tägliche Brot immer stärker zu einem moralisch aufgeladenen Gut, weil die Folgen für Mensch, Tier und Umwelt immer weitreichender sind. Die globalisierte Welt der industriellen Land- und Lebensmittelwirtschaft macht Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Opfern und Tätern gleichermaßen. Sie nötigt ihnen Verantwortung auf, der sie kaum gewachsen scheinen. Die Ernährungsethik beleuchtet die vielen verschiedenen Aspekte dieser Verantwortung und zeigt, dass Essen keine Privatangelegenheit mehr ist. Lebensmittel enthalten Werturteile: Gut oder böse, richtig oder falsch - jeden Tag aufs Neue gestalten wir die Welt über unsere Konsumentscheidungen.
Jeder Bissen ein Fall für das Gewissen? Die vorliegenden Beiträge schildern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die mannigfaltigen ethischen Herausforderungen, denen sich jeder von uns täglich aufs Neue stellen muss - sei es als Produzent, Vermarkter oder Verbraucher. Detailfragen wie Patentierung von Leben oder die Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel werden von den Autorinnen und Autoren dabei ebenso aufgegriffen, wie grundsätzliche philosophische Fragen, die sich etwa beim Verzehr von Produkten tierischer Herkunft stellen.
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
Franz-Theo Gottwald & Isabel Boergen: Food Ethics - Eine Disziplin im Wandel
Hans Werner Ingensiep: Utopien der Ernährung & Visionen der Vernunft
Harald Lemke: Genuss für alle oder Verteilungskämpfe um die verbleibende Nahrung
Marianne Henkel: ,Land-grabbing' - Großinvestitionen in Agrarland zwischen Verhaltenskodex und der Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft: Ethische Dimensionen der steigenden Nachfrage nach Land
Gábor Paál: Für die Schöpfung oder für die Menschen? Welternährung aus geoethischer Perspektive
Uwe Meier: Wege zu einer Agrarethik mit Standards und Siegeln
Christoph Then und Ruth Tippe: Der patentierte Brokkoli. Über die Zunahme von Patenten auf konventionelle Züchtungen
Lieske Voget-Kleschin: Die Nachfrage nach gentechnikfreien Lebensmitteln als Beispiel der politischen Dimension von Kaufentscheidungen
Constanze Frank-Oster: Der unmoralische Kabeljau und warum wir trotzdem weniger Fleisch essen sollten
Rainer Hagencord: "Segne Vater diese Gaben" - Oder: Wer soll wann was tun?
Sebastian Moll: Christlicher Vegetarismus?
Thomas Mohrs: Essen - Identität - Verantwortung. Konsumentenethische Reflexionen
Elisabeth Meyer-Renschhausen: Gärtnern und Kochen für die Eine Welt
Johannes Bucej: Städter und Bauern. Plädoyer für eine neue Beziehung zwischen Stadt und Land