Beschreibung
Welche Bedeutung hatte die mittelalterliche Skulptur für die religiöse Praxis des Betrachters? Bruno Boerner zeigt anhand von religiösen Bildwerken und Skulpturenensembles im Gebiet des Oberrheins, wie diese zur Selbstreflexion anregen und auf das Verhalten und Handeln der Betrachter einwirken sollten.
Die Kirche hatte früh erkannt, dass die Wirkungskraft von Bildern vor allem auf ihren emotionalen Qualitäten beruht. Dies nutzte sie besonders bei der Ausbildung der Religiosität in der Laienfrömmigkeit. Denn als die Attraktivität häretischer Gruppen zunahm, versuchte die Kirche, Laien verstärkt in die rituellen Praktiken der Liturgie einzubinden. So wurde ihnen eine intensivere Religiosität zugestanden, die es gestattete, eine persönliche Beziehung zu ihrem Gott aufzubauen. Dies blieb nicht ohne Einfluss auf die Gestaltung und Funktion religiöser Bildwerke. Sie sollten dem Betrachter nun den Eindruck vermitteln, die Kunstwerke suchten mit ihm ein imaginäres Zwiegespräch. Bei diesem 'dialogischen Verhältnis ' spielten die neuartigen 'Appellfiguren' eine zentrale Rolle. Boerner zeigt, wie Skulpturen von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts zum Einsatz kamen, um in der Alltagswelt auf das Leben und Handeln der Rezipienten Einfluss zu nehmen. Er untersucht dafür romanische Portale in Sigolsheim, Andlau und Basel, die Skulpturenprogramme der Münster in Straßburg und Freiburg sowie Andachtsbilder in oberrheinischen Nonnenklöstern.