Beschreibung
Das frühneuzeitliche Münsterland war überzogen mit einer Vielzahl von Adelssitzen. Auf den größten saßen ritterbürtige Familien, deren vielfältige Rechte ausreichten, um den bischöflichen Landesherrn nahezu vollständig aus ihren Herrschaften herauszuhalten. Der Fürstbischof regierte das Territorium, aber auf lokaler Ebene herrschte vielerorts der Adel. Nach der Reformation geriet dieses Nebeneinander unter Druck. Die katholischen Fürstbischöfe versuchten, bis in jede Pfarrkirche ihre konfessionellen Vorstellungen durchzusetzen, während der Adel allen Versuchen heftigen Widerstand entgegensetzte, seine traditionelle Herrschaftsautonomie einzuschränken. Das protestantische Bekenntnis wurde zum Instrument für diesen adeligen Widerstand, die Trennlinie zwischen Landesherrschaft und Adelsherrschaft damit schärfer als je zuvor gezogen. Für einige Jahr-zehnte bekannte sich – aus heutiger Sicht überraschend – die große Mehrheit des münsterischen Stiftsadels zum neuen Glauben.
Das Buch von Bastian Gillner untersucht die Entwicklung des protestantischen Bekenntnisses im münsterischen Adel, angefangen von der Verteidigung ständischer Herrschaftsrechte gegenüber den kirchlich-religiösen Neuerungen bis hin zur Aufgabe des konfessionell motivierten Widerstandes im barocken Bischofsstaat. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der komplexen Wechselwirkung zwischen religiösen und politischen Motiven innerhalb des Adels. Der Ruf nach der „Freien Religion“ stand in enger Verbindung mit dem adeligen Selbstverständnis als „Freie Herren“, die in ihren Herrschaften das gesellschaftliche, politische und religiöse Leben unabhängig zu bestimmen suchten. Mit dem konfessionellen Konflikt verband sich somit der frühneuzeitliche Fundamentalvorgang der Staatsbildung, durch den die lokalen Mittelgewalten überhaupt erst in territoriale Herrschaftsstrukturen einbezogen wurden. Am Beispiel von rund einem Dutzend adeliger Familien liefert die Studie einen Beitrag zur Standes-, Religions- und Verfassungsgeschichte des Fürstbistums Münster.