Beschreibung
1918 wurde für Karl Barth das Jahr des 'Römerbriefs': 1916 begonnen, wurde das erste Manuskript im Sommer 1918 fertig und sogleich zu dem Ende 1918 erscheinenden Buch umgearbeitet. 1918 war aber auch das Jahr, in dem der Erste Weltkrieg unter großen Erschütterungen zu Ende ging. Im November entluden sich die sozialen Spannungen in der Schweiz in einem 'Generalstreik', um den es in der Folge in Safenwil zu 'scharfen Gefechten' in der Kirchenpflege und in der von Barth geleiteten Sozialfürsorgekommission kam, welche die Folgen der heftigen Grippewelle lindern sollte. Vieles davon klingt in den 44 Predigten dieses Jahrgangs an. Vor allem aber bieten sie ein eindrucksvolles Bild der mit der Arbeit am Römerbrief verbundenen theologischen Reorientierung: sie zeigen, wie Barth immer wieder um ein neues Verstehen der Bibel ringt und eben von daher auch ein besseres Verständnis für das Zeitgeschehen und für das Leben seiner Gemeinde zu gewinnen versucht. Die Intensität dieser Arbeit dokumentiert sich auch daran, dass Barth mehrere Predigten sofort überarbeitete, so daß sie in zwei Fassungen vorliegen. So machen diese Predigten – unter denen neben drei Predigten zu Römer 12,1–2 und der kursorischen Auslegung von Matthäus 8 die Adventspredigten über Johannes 1,1–5 besonders zu erwähnen sind – in einzelnen Schritten eine hermeneutisch-exegetische Arbeit sichtbar, die Theologie und Kirche entscheidend verändern sollte.
Autorenportrait
Karl Barth (1886–1968) studierte Theologie in Bern, Berlin, Tübingen, Marburg und war von 1909 bis 1921 Pfarrer in Genf und Safenwil. Mit seiner Auslegung des Römerbriefes (1919, 1922) begann eine neue Epoche der evangelischen Theologie. Dieses radikale Buch trug ihm einen Ruf als Honorarprofessor nach Göttingen ein, später wurde er Ordinarius in Münster und Bonn. Er war Mitherausgeber von 'Zwischen den Zeiten' (1923–1933), der Zeitschrift der 'Dialektischen Theologie'. Karl Barth war der Autor der 'Barmer Theologischen Erklärung' und Kopf des Widerstands gegen die 'Gleichschaltung' der Kirchen durch den Nationalsozialismus. 1935 wurde Barth von der Bonner Universität wegen Verweigerung des bedingungslosen Führereids entlassen. Er bekam sofort eine Professur in Basel, blieb aber mit der Bekennenden Kirche in enger Verbindung. Sein Hauptwerk, 'Die Kirchliche Dogmatik', ist die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts.