Aura und Auratisierung
Mediologische Perspektiven im Anschluss an Walter Benjamin
Beil, Ulrich Johannes / Herberichs, Cornelia / Sandl, Marcus
Erschienen am
06.03.2014, Auflage: 1. Auflage
Beschreibung
Stimmung, Atmosphäre, Ereignis oder Authentizität – Begriffe wie diese, die noch im ausgehenden 20. Jahrhundert als kaum mehr theorietauglich angesehen wurden, erfreuen sich neuerdings wieder zunehmender Beliebtheit im geistes- und kulturwissenschaftlichen Diskurs. Wenig profitiert hat von dieser Konjunktur der Begriff der Aura. Obwohl man ihn im Hintergrund dieser Konzepte vermuten kann, obwohl ihn Walter Benjamin in seinem für die neuere Ästhetikdiskussion grundlegenden Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit aus den späten 1930er Jahren an prominenter Stelle eingeführt hat, spielt er in der gegenwärtigen Medientheorie keine nennenswerte Rolle.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes – aus Literatur-, Geschichts-, Kunst-, Musik- und Filmwissenschaft – schlagen einen anderen Weg ein. Sie versuchen auf der Basis einer kritischen Relektüre des Textes von Walter Benjamin, das diskursive Potenzial des Begriffs Aura auszuloten, ihn für interdisziplinäre Perspektiven einer historischen Mediologie neu zu erschließen und insbesondere Möglichkeiten einer medialen Auratisierung zu erörtern. Das Sprechen über Aura, so die These, rückt einerseits grundlegende epistemologische und phänomenologische Fragen in den Blick, die den Zusammenhang von Genese und Kommunikation von Sinn betreffen. Andererseits kann der Begriff für die Konzeptionierung einer Geschichtlichkeit des Medialen ebenso fruchtbar gemacht werden wie für eine Beschreibung der Medialität von Geschichte. Der Begriff der Aura lässt sich so an einer Schnittstelle verschiedener Felder der aktuellen medientheoretischen Diskussion situieren.
Inhalt
Ulrich Johannes Beil, Cornelia Herberichs, Marcus Sandl: Benjamins Aura-Konzept und die historische Mediologie. Ansätze, Kontexte, Perspektiven
I
Beatrice Trînca: Auratisierung – mittelalterlich. Zur Vor- und Frühgeschichte eines wissenschaftlichen Begriffs mit Anmerkungen zu Hildegard von Bingen und Gertrud von Helfta
Manfred Kern: Aura aurea. Zur Vorstellung des Unikalen in der mittelalterlichen Poesie
Cornelia Herberichs: ›Der Erzähler ist uns keineswegs durchaus gegenwärtig‹. Zu Benjamins Aura-Konzept in narratologischer Perspektive und zur Auratisierung legendarischen Erzählens im Väterbuch
Susanne Baumgartner: Heiligkeit und Aura in Konrads von Würzburg Silvester
Christine Hediger / Brigitte Kurmann-Schwarz: Reliquie und Skulptur im Glasfenster. Intermediale Auratisierung am Beispiel von Notre-Dame de la Belle-Verrière
II
Marcus Sandl: Luthers Aura. Bekenntnis und Geschichte in der Reformation
Federico Italiano: Auratisierung des Nordens. Die Pygmäen und die Carta Marina (1539) des Olaus Magnus
Marius Rimmele: Das Prinzip Schrein. Aspekte medialer Auratisierung beim Triptychon
Jan Behnstedt: Macht, Zwang, Vertrauen. Intermediale Auratisierung staatlicher Schuld – ein Finanzprojekt aus dem Siebenjährigen Krieg
III
Christian Kiening: Philologische Aura der Schrift um 1900. Das Beispiel Ludwig Traubes
Stephan Baumgartner: Aura und Anerkennung in Hebbels Michel Angelo
Christoph Gardian: 'Europa hat die Pace verloren'. Zur Auratisierung des Affektiven in Robert Müllers Tropen
Robert Suter: Bluff und Autosuggestion. Wege zum Erfolg in der Weimarer Republik (Walter Benjamin, Johannes Baader, Emile Coué, Walter Serner)
IV
Nadejda Lebedeva: Die 'bestimmte Unbestimmbarkeit'. Aura, Schein und Musik in der Ästhetischen Theorie Adornos
Daniel Wiegand: Vom Zauber des Lichts. Intermediale Lichtinszenierungen um 1900 und die ›auratische‹ Wirkung des Kinos
Mattia Lento: Luigi Pirandellos Quaderni di Serafino Gubbio operatore oder der vermeintliche Verfall der Aura am Anfang der Filmgeschichte
Ulrich Johannes Beil: Mediale Auren. Walter Benjamin und Fotografien von Thomas Struth, Gregory Crewdson und Carlos Goldgrub